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Archiv Rock und Revolte
Zur Geschichte der Jugendzentren in Westberlin & der BRD 1971-1973

 
Schriftliche Zusammenfassung  der gleichnamigen ARD-TV-Dokumentation von Schretzmeier, Metzger, Kiwus und Bilzens aus dem Jahr 1971, erstellt von den Autoren der Sendung                         

Hervorhebungen von uns

JOUR FIX I

Dieser Film zeigt, daß in der Bundesrepublik Jugendzentren fehlen. . Er zeigt Jugendliche, ihre berechtigten Bedürfnisse und Wege, diese Bedürfnisse in eigener Initiative zu befriedigen. In welcher Situation wir die Jugendgruppen antrafen, zeip:en die Drehorte: wir filmten in Nebenzimmern von Gaststätten, etwa "Zur Rose", "Zur Schmiede" oder in der "Koch-Bräu-Hauswirtschaft", wir drehten im Lutherhaus und in der Johanniskirche, in Jugendheimen, Kindergärten und Diskotheken.

"Jour fix 1" ist ein Film, der den Weg der Jungen aus passivem Unbehagen zur aktiven Selbstbestimmung zeigt. Er beruht auf dokumentarischer Auswertung von Zusammenkünften der Initiativgruppen aus Neumünster, Reinbek, Kusel, Baden-Baden, Sindelfingen, Waiblingen, Schorndorf, Stuttgart-Rot, Esslingen, Wuppertal und Unna. Die Probleme der Gruppen gleichen sich, daher haben wir Äußerungen von Gruppenmitgliedern aus mehreren Bundesländern in einem Film zusammengefaßt.

Mit diesem Film bieten wir keine Analyse über Jugend und Freizeit an. Wir haben bewußt auf eine patente Lösung verzichtet, denn Lösungen können nicht in Redaktionen ausgeheckt werden. Sie müssen von den Betroffenen selbst herbeigeführt werden, zum einen von Jugendlichen, die die Initiative ergreifen, zum anderen von Verantwortlichen, die seither nichts getan haben.

Am 5. April haben wir einen offenen Brief an Frau Minister Kate Strobel, an Jugend- und Sozialausschüsse des Bundestages, des Bundesrates und mehrere Länder geschrieben mit der Bitte, sich diesen Film anzuschauen und zum brennenden Thema Jugendarbeit Stellung zu nehmen. "Mehr und mehr Jugendliche in der ganzen Bundesrepublik fangen an, sich in freien Arbeitskreisen und Initiativgruppen zusammenzuschließen. Bei diesen Jugendlichen handelt es sich um Nichtorganisierte, deren Bedürfnisse in keinem Gremium vertreten sind. Es entsteht ein immer stärker werdendes Gefalle zwischen den wenigen Organisierten - vertreten in den Stadtjugendringen - und der Mehrheit der Unorganisierten. Das Angebot der herkömmlichen Jugendhäuser reicht nicht mehr aus, weil es an den unmittelbaren Bedürfnissen vorbeigeplant wurde oder es fehlt überhaupt, besonders in kleineren Orten. Die Praxis zeigt einen makabren Kreislauf zwischen Kneipen und Diskotheken, zwischen der Straße und dem Jugendgefängnis, denn auch die etablierten Jugendorganisationen sind nicht auf die heutigen Bedürfnisse der Jugendlichen eingerichtet und nicht in der Lage, Ausflippende aufzufangen. Daß daraus langfristig größere Schäden zu erwarten sind, die jetzt noch gestoppt werden können, will das neue Jugendmagazin "Jour fix" des Südfunks Stuttgart aufzeigen und sich helfend einsetzen." In den kommenden "Jour fix"-Sendungen werden wir das 'Thema weiter verfolgen.

Aktion "Jugendzentrum Neumünster", ca. 50 Mitglieder, darunter Lehrlinge, Schüler, Jungarbeiter, Alter zwischen 16 und 35 Jahren, 80% nicht organisiert. Kontaktadresse: Jugendzentrum Heumünster, c/o Manfred Gonrad, 2350 Neumünster, Ghristianstr. 15

Jugendinitiative Reinbek, 40 aktive Mitglieder, Schüler und Studenten. Alter zwischen 14 und 23 Jahren, ca.80%  nicht organisiert. Kontaktadresse: Frank Michael Schober, 2057 Reinbek, Schulstraße 76.

Initiative Jugendhaus Kusel , ca. 15 Oberschüler und 5 Lehrlinge. Alter 15 bis 13 Jahre, in der Mehrzahl nicht organisiert. Kontaktadresse: K. -S. Hesser, 6793 Kusel, Oberer Holler 3

Interessengemeinschaft Jugendtreffpunkt Baden-Baden, ca. 60 aktive Mitglieder, Durchschnittsalter 19 Jahre, 70 % nicht organisiert. Kontaktadresse: Inge Kleinknecht, 7570 Baden-Baden, Stefanienstr. 7

Aktionskomitee Jugendhaus Sindelfingen, ca. 50 bis 60 Mitglieder, davon 60 % Lehrlinge, 4-0 % Schüler und Studenten, Durchschnittsalter 13 Jahre, 75% nicht organisiert. Kontaktadresse: Hans-Dieter App, 7032 Sindelfingen, Fohrenbühlstr. 137.

Arbeitskreis "Hammerschlag" Schorndorf , ca. 4-0 Mitglieder, davon 60 % Schüler, 40% Lehrlinge und junge Arbeitnehmer. Durchschnittsalter 19 Jahre, 80 % nicht organisiert. Der Arbeitskreis bildete sich aus den laufenden Pop-Veranstaltungen. Kontaktadresse: Arbeitskreis "Hammerschlag", 7060 Schorndorf, Postfach 1170.

Aktionskreis Jugendzentrum Stuttgart-Rot, ca. 120 Mitglieder, Schüler, Lehrlinge und Studenten. Alter von 13 bis 21 Jahren, davon 90 % nicht organisiert. Treffpunkt ist die Diskothek "Blue in", die jedoch für soziale Gruppenarbeit nicht geeignet ist. Kontaktadresse: Günther Brix, 7 Stuttgart 50, Darmstädter Str. 23.

Verein Jugendzentrum Waiblingen, ca. 30 Mitglieder, Schüler, Studenten, Lehrlinge und junge Lohnabhängige. 50 % nicht organisiert Kontaktadresse: Verein Jugendzentrum, 7031 Waiblingen, Holzweg 24.

Jugendwerkstatt Unna, Alter 14 bis 19 Jahre, 70 % Schüler, 10 Studenten, 20 % Lehrlinge, fast ausschließlich nicht organisiert. Kontaktadresse: Helmut Papenberg, 4750 Unna, Platanenallee 11, Tel. 2642.
 

Zitate aus "Jour fix 1"

Neumünster: Die Bürgerinitiative als Vereinigung unabhängiger, unorganisierter Jugendlicher hat sich zum Ziel gesetzt, einige der Versäumnisse der Stadt und diese Versäumnisse sind nicht gering, die auf dem Gebiet der Jugendarbeit gemacht wurden, zu korrigieren. Neumünster. ca. 100.000 Einwohner, ca. 24.000 Jugendliche, 35 % davon organisiert, 65 % ist nicht organisiert, wird aber, was die Verteilung der Finanzmittel angeht und die Förderung durch die Stadt, seit Jahrzehnten vernachlässigt.

Sindelfingen: Wir sind eigentlich keine feste Gruppe, sondern praktisch nur eine Interessenverbindung. Wir haben uns zusammengefunden nur wegen dem Jugendhaus. Was fehlt sind Räume, alle sind zu klein und zu teuer. Sindelfingen ist eine so moderne Stadt, die haben nur moderne Gebäude, da können wir nirgends hingehen, um irgendeine Veranstaltung zu machen, da geniert man sich ja etwas anzufassen.

Neumünster: Es war nur eine Frage der Zeit, wann es einmal knallen würde. Dieser Anlaß war in dem Augenblick gegeben, als der letzte Treffpunkt für Jugendliche, nach der Norm kurz geschnitten, ohne Bart, konsumfreudig, von einem Besitzer einer Reihe von Vergnügungslokalen aufgekauft wurde. Die Konsequenz, die Jugendlichen hatten keinen Treffpunkt mehr, es mußte irgendwas geschehen. Die Initiative ging aus von einer Gruppe von Lehrlingen, die in der Berufsschule das erste Flugblatt gedruckt haben. Diese Initiative wurde aufgegriffen auf einer Jazz-Veranstaltung von anderen Jugendlichen, Schülern, Lehrlingen und Studenten.

Sindelfingen: - Die Sindelfinger Gruppe hat zwischenzeitlich vier Pop-Konzerte veranstaltet, jeweils mit dem konkreten Hinweis auf das fehlende Jugendzentrum, das Problem ist dadurch jedem bekannt. Diese Veranstaltungen sollen Mittel zum Zweck sein, um Leute zu aktivieren. Und nur durch sowas können wir an die Allgemeinheit herankommen. Wir müssen vor allem eine breite Basis schaffen, wenn wir mit 200 Leuten kommen, können wir sagen, wir wollen das und das, wenn es nur vier sind, geht das schlecht. Wenn wir 200 hinter uns haben, muß die Verwaltung nachgeben.

Neumünster: Innerhalb von fünf Tagen konstituierte sich das, was man heute als Bürgerinitiative bezeichnet, einige Tage später stand eine Demonstration, die mit 1000 Demonstranten den Verkehr im Zentrum Neumünsters lahmlegte. Wir sammelten 1200 Unterschriften. Wir sind zu einem Gespräch mit der Stadt eingeladen worden und unter verwaltungstechnischen und finanziellen Tricks auf eine Zeit vertröstet worden, die bei 74, 75 oder auch später liegen könnte.

Sindelfingen: Die Situation ist beschissen und wir wollen das ändern, damit das besser wird.

Unna: Ich halte diese Hinhaltetaktik für eine ganz beschissene Ausflucht der Stadt und zwar versuchen wir hier schon seit mindestens 2 1/2 Jahren ein Jugendzentrum zu bekommen und immer wieder neue Vorschläge und neue Ausflüchte und deswegen mache ich den Vorschlag, wir versuchen ein Haus zu besetzen. Hier stehen so viele Häuser offen und leer, damit müssen wir die Stadt irgendwie unter Druck setzen.

Erkundigt Euch deshalb nach leerstehenden Häusern, stillgelegten Fabriken und anderen Gebäuden in Eurer Stadt und prüft die Eignung für das zu gründende Jugendzentrum!

Baden-Baden: Die Städte haben aufgrund der Gemeindeordnungen als eine ihrer Pflichtaufgaben, die Aufgabe, sich um das Wohl der Jugend zu kümmern und dazu gehört, entsprechende Einrichtungen zu schaffen und auch mit Personal zu versehen und zu bezahlen.

Z.B. Paragraph 1, Absatz 2 der Gemeindeordnung Baden-Württemberg: Die Gemeinde fördert in bürgerschaftlicher Selbstverwaltung das gemeinsame Wohl ihrer Einwohner . . . also auch der Jugend!

Stuttgart-Rot:  Wir müssen einfach sagen: WIR WOLLEN EINEN RAUM, WIR BRAUCHEN EINEN RAUM UND WIR FORDERN EINEN RAUM.

Neumünster: Die Stadt hat Angst davor, daß ein Jugendzentrum entsteht, das ein potentieller Unruheherd ist. Das ist hier keine Frage, ob es mal evtl. eine Schlägerei gibt, wir sollten da von vornherein unseren Stadtvorderen reinen Wein einschenken. In den Moment, wo wir es erreichen, daß die katastrophale Rate von Jugendkriminalität, und 40% der Straffälligen sind Jugendliche, diese katastrophale Säte zu senken, dann wäre doch eine Schlägerei gerechtfertigt. Die Stadtväter können einfach nicht an dieser Geschichte vorübergehen. Ob es ihnen paßt oder nicht oder sie akzeptieren weiterhin 40% Jugendkriminalität.

Stuttgart-Rot: Es ist überhaupt so, daß Jugendkriminalität nicht in dem Maße zustande gekommen wäre, wenn Jugendhäuser oder Räume vorhanden gewesen wären, in denen sich die Leute hätten treffen und Zusammensein können. Aber wenn nichts los ist und den ganzen Tag in der Wirtschaft hocken, samstags oder so, das geht ja einem auf die Nieren. Wie in vielen Wohngebieten war es in Rot auch so, da keine Räume da waren und das einzige was uns geblieben ist, war die Straße oder die Wirtschaft und dort hieß es gleich, was ihr trinkt nur ein Cola oder ein Bier, das hat keinen Wert, ihr müßt hier raus. Mit der Zeit kam die Langeweile und dann ging es los mit der Jugendkriminalität. Die Jugendlichen heutzutage stehen stark im Leistungsprinzip, die Alten sagen zu den Jugendlichen, der muß erst mal was werden, bevor er überhaupt aufmucken darf. Bevor er seine eigenen Vorstellungen verwirklichen darf, soll er schön brav sein, anständig sein, keine langen Haare und keinen Bart tragen. Daß sich der Jugendliche darüber aufregt, unmutig wird und dadurch seinen Haß bekommt, ist kein Wunder.

FAZIT

Waiblingen: Kommunalpolitiker, Landes- und Bundespolitiker müssen sich wahrscheinlich in den nächsten Jahren grundsätzlich umstellen, denn man muß einfach mal wegkommen von der komischen Ideologie, Jugendhaus oder Jugendzentrum sei nicht Bildungspolitik. Das ist meiner Ansicht nach nichts anderes als Bildung, die Investition in ein Jugendhaus oder Jugendzentrum ist Investition in Bildung, und wir müssen auch mal überlegen, der große Prozentsatz der Jugendlichen, die nicht in ein Gymnasium gehen können und nur neun Jahre in die Schule gehen dürfen, die schickt man einfach auf die Straße und sagt: Jetzt guckt, wie ihr mit eurer Freizeit fertig werdet! Und ich meine, dieses Freizeitproblem wurde erst in ganz geringen Umfang erkannt. Die anderen, die länger in die Schule gehen können, die haben Glück gehabt, und die dio's nicht können, die müssen gucken, wie sie sich die Zeit vertreiben.

Stuttgart-Rot: Und in den herkömmlichen Jugendhäusern wird das praktiziert, was die Erwachsenen wollen, ein paar Jugendliche spielen Tischtennis, spielen Fußball, aber daß ein Jugendlicher noch andere Bedürfnisse hat, wollen sie einfach nicht wahrhaben. Wie die sich so ein Jugendhaus denken, das sind Jugendausbildungsstätten, wo man schön brav basteln kann und schön Tischtennis spielen kann, wo man schön brav werden kann und man später ein braver Bürger wird.

Deshalb laßt Euch in Euren Jugendzentrumsplänen nicht die Fortführung und Erweiterung der bisherigen Jugendarbeit aufzwingen. Verwirklichst Eure eigene Vorstellung von Arbeit. Laßt Aktivierung der Jugend und politische Aufklärung Hauptziel Eures Zentrums sein.

Schorndorf: Ein Jugendhaus muß die Möglichkeit bieten, an die Basis der Jugendlichen zu gehen.

Denn Jugendarbeit, die lediglich versucht, den Jugendlichen in ihrer Freizeit über die Belastungen der Arbeitszeit hinweg zu helfen, ist falsch. Jugendarbeit heißt: die Jugend beginnt untereinander Einübung neuer Verhaltensweisen, die Veränderung der Arbeitswelt durch die Veränderung der Freizeit!

Schorndorf: Deshalb sollte auf jeden Fall ein großer Saal zur Verfügung stehen, in dem viel Leute zusammenkommen können. Man müßte die Säle auch nicht außerhalb des Hauses legen, da sonst die Aktivität, die nach den Veranstaltungen entsteht, total verpufft. Entscheidend ist jedoch, daß man die Jugendlichen aus den Veranstaltungen heraus aktiviert.

1. Forderung: Jedes Zentrum muß einen großen Saal für mindestens •• 600 Personen haben.

2. Forderung: Übernachtungsmöglichkeiten muß jedes neue Jugendzentrum bieten. Seminarteilnehmer, Musikgruppen, Leute, die trampen usw. sollten diese Möglichkeit haben.

Das Wuppertaler Modell

Laßt Euch keinen Plan für Euer Jugendhaus andrehen, den Ihr nicht haben wollt. Holt Rat bei Basisgruppen der Architekturstudenten. Laßt sie die Pläne des Bauherren kritisch ausleuchten und Gegenmodelle entwickeln!

In Wuppertal gibt es seit September 69 innerhalb des AktionsZentrums "Impuls" die Arbeitsgruppe "Umweltgestaltung, Architektur". Sie verfaßte ein komplettes Modell-Papier für ein Jugendzentrum. Das Papier dient als Arbeitsgrundlage der Gruppen Schorndorf, Sindelfingen, Waiblingen und Mülheim/Ruhr. Zu bekommen bei: Aktionszentrum Impuls, 36 Wuppertal-Elberfeld,, Viehhofstraße 154- a.

Wuppertal: Wir hatten im Gegensatz zu einem Verwaltungsbeamten, der den Auftrag von irgendeiner Planungsstelle bekommt, ein Haus der Jugend zu planen, keinen Auftrag und dadurch konnten wir tun, was wir wollten und zweitens, daß wir viel weiter vorn anfangen konnten, als wenn dieses Haus von irgendeiner Planungsstelle ausformuliert worden wäre. Dadurch hat man eigentlich eher arbeiten können, was es betrifft, so konnten an dem Projekt die Jugendlichen selbst mitarbeiten ohne Auftrag.

Wie weit ist das Papier veränderbar?

Wenn andere Leute, andere Erfahrungen machen, dann sollten sie es in unser Papier hineinarbeiten.

Wie geht's weiter?

Die Planungsprozesse müssen transparent gemacht werden, da die Öffentlichkeit in die Planung schon mit einbezogen wird, weil schließlich ist es ein Haus für die Öffentlichkeit, für die Jugend, das gilt also für alle öffentlichen Gebäude, daß die ganzen Planungsprozesse demokratisiert werden.

Macht also unbedingt Öffentlichkeitsarbeit, damit die seitherige Praxis der Verschleierung in der Planung sichtbar wird. Darauf hinweisen, daß man diese Arbeitsweise für jedes öffentliches Gebäude braucht.

Baden-Baden: Wenn sich der Jugendliche in einem Jugendhaus selbst bestimmen kann, wird er als Lehrling in seinem Betrieb unbedingt seine Forderung nach Mitbestimmung als naturnotwendige Arbeitsorganisation anerkennen und politisch über seine Vertreter durchzusetzen versuchen!

Insofern hat das unabhängige JugendZentrum eine wichtige demokratische Funktion!

Durch die Dreharbeiten hat die Redaktion "Jour fix" guten Kontakt zu den Initiativgruppen bekommen. Sie konnte Verbindungen zwischen den Gruppen herstellen und den Kontakt durch die laufende Zusammenarbeit erweitern. Das vorläufige Ergebnis der Kommunikation untereinander war die Gründungsversammlung am 3.4.71 zum "Aktionskreis Jugendzentren Baden-Württemberg" in Sindelfingen. Anwesend waren außerdem als Gäste die Gruppen aus Neumünster, Unna und Kusel.

Aktionskreis Jugendzentren Baden-Württemberg: Man muß eben diese Aktionskreise auf Ortsebene oder auf Landesebene als politisches Machtinstrument sehen. Sie sind es selbstverständlich auch. Nur wenn Forderungen durch die breite Basis gestützt werden, können sie bei der Administration durchgesetzt werden. Man muß wissen, wie man es anstellt und dazu kann ja der Aktionskreis viel helfen, indem er Erfahrungen sammelt, indem er als Kontaktstelle dient, wo Leute, die was vorhaben hinschreiben können, um Erfahrungen zu kriegen, damit sie nicht die selben Fehler machen wie die anderen. Zum anderen wäre es notwendig, daß man hier eine gemeinsame Strategie entwickelt. Können wir nicht annehmen, daß immer mehr Jugendliche an inner mehr Plätzen drangehen, Ihre Situation zu bedenken, überall ist angeklungen, daß die Stadtverwaltungen zwar gewillt sind, aber die Jugendlichen mit großen Versprechungen hinhalten, daß sie sagen, ihr rennt offene Türen ein, aber im Grunde genommen passiert nichts, weil sie damit rechnen, daß sich die Jugendlichen nicht solidarisieren können und nicht in der Lage sind, etwas auf die Beine zu stellen.

Kusel: Die Taktik lautet Hinhalten und die Jugendlichen geben auf, die Gruppen mit Informationen zu versehen, daß sie die Durststrecke überwinden, das scheint mir etwas sehr wichtiges zu sein.

Aktionskreis Jugendzentren Baden-Württemberg: Deshalb Basisarbeit ohne Konzept ist zum Scheitern verurteilt.

Schorndorf: Ich bin einfach der Meinung, Basisarbeit ohne Konzept ist einfach großer Scheiß. Sie bringt uns überhaupt nicht weiter, ist uneffektiv.

Aktionskreis Jugendzentren Baden-Württemberg: Grundbedürfnis ist Kommunikation, ist Erfahrungsaustausch. Ergebnis: Der Aktionskreis Jugendzentren Baden-Württemberg hat sich zur Aufgabe gestellt, den Aufbau von unabhängigen Jugendzentren in Baden-Württemberg zu unterstützen, indem er

1. eine Informationszentrale schafft, die Informationen sammelt und verteilt

2. den einzelnen schon bestehenden Gruppen, die noch nicht i iq Aktionskreis Jugendzentren Baden-Württemberg vertreten sind, regelmäßig Zusammenarbeit und Aictions- und Arbeitshilfen zu bieten

3. intensive Öffentlicnkeitsarbeit betreibt

4. Kontakte zu Sozialpädagogen, Sozialarbeitern, Psychologen, Architekten und Rechtsanwälten aufnimmt

5. Kontakte zu parlamentarischen Gremien und. zuständigen Verwaltungsgremien schafft.

Alle Aktionsgruppen in Baden-Württemberg werden aufgeforderten diesem Aktionskreis mitzuarbeiten. Informationen sind zu erhalten bei: Aktionskreis Hammerschlag, 7060 Schorndorf, Postfach 1170.

Neumünster (in Sindelfingen): Der Aktionskreis Neumünster solidarisiert sich mit dem "Aktionskreis Jugendzentren Baden-Württemberg und würde es begrüßen, wenn in Schleswig-Holstein eine ähnliche Bewegung auf Landesebene entsteht.

Sindelfingen: Das wichtigste für die Jugend wäre, sich unabhängig zu machen von der Stadt oder den Geldern der Stadt, um finanziell unabhängig zu sein, um selber etwas gestalten zu können. OB-Gruber, Sindelfingen: "Wenn einer zahlt, da muß ja auch einer da sein, der bestimmt, das kann im allgemeinen nur der sein, der auch bezahlt." .

Ein 50-jähriger aus Kusel: "Wollen wir mal es den Jugendlichen überlassen, dann werden wir ja sehen, was in fünf Jahren rauskommt, wenn keiner den Daumen draufdrückt!"

LEHRLINGE, SCHÜLER ORGANISIERT EUCH!

Literaturhinweis:

Modell "Haus der Jugend" Wuppertal-Elberfeld
Herausgeber: Impuls-Aktionszentrum, Arbeitsgruppe "Umweltgestaltung, Pädagogik, Architektur", 56 Wuppertal-Elberfeld, Viehhofstraße 14 a

Arbeit, Freizeit, Massenmedien
Herausgeber: Industriegewerkschaft "Chemie -Papier - Keramik", Hauptabteilung Jugend und Bildung. Verantwortlich: Hermann Rappe, Dezember 1970

Jugend in Leonberg - Jugend und Freizeit
Herausgeber: "Studiengruppe Jugend und Freizeit", 7250 Leonberg-Ramtel, Am Bockberg 2

Hinweis
Der Aktionskreis Jugendzentren Baden-Württemberg stellt ab 12. Mai eine Sammlung von Arbeitspapieren der aktiven Gruppen zur Verfügung! (Zu bekommen über die Schorndorfer Adresse!)

 

Adressen der Musikgruppen in JOUR FIX I:

  • FLOH DE COLOGNE, c/o Dieter Klemm, 5 Köln 1, Brabanterstr. 42
  • NINE DAYS WONDER, c/o Walter Seyffer, 63 Mannheim, Amerikanerstr. 41
  • HOTZENPLOTZ, c/o Hans-Dieter Sumpf, ? Stuttgart, Werastr. 3
  • ET CETERA, c/o Wolfgang Dauner, 7 Stuttgart, Immenhoferstr. 94

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