Flamingo-Club besetzt -
Presseberichte
Der Tagesspiegel vom 26.3.1972
Hausbesetzung zwecks Resonanz
Mitglieder und Sympathisanten eines „Aufbaukollektivs für ein Schöneberger
Jungarbeiter- und Schülerzentrum", das das Jugendfreizeitheim Belziger
Straße 4—6 (den früheren „Flamingo-Club") selbst verwalten möchte,
besetzten in der Nacht zum Sonnabend das Haus. Vor Journalisten erklärten
sie gestern vormittag, sie hätten das getan, um sich die nötige Resonanz
zu verschaffen. Sie wollten so lange in den Räumen des Freizeitheims
bleiben, bis das Bezirksamt Schöneberg einen Vorvertrag zur späteren
Legalisierung der Selbstverwaltung mit ihnen abschließe. Die Jugendlichen
betreiben zwei Arbeitsgruppen, die sich mit den Problemen von
Hauptschülern sowie Lehrlingen und Jungarbeitern beschäftigen.
Verhandlungen mit dem Bezirksamt scheiterten bisher, weil die Jugendlichen
lediglich in den Räumen des Freizeitheims und in Anwesenheit aller
interessierten Jugendlichen Sachgespräche führen wollten. Das Bezirksamt
hatte vor einigen Wochen einen Termin an „neutralem" Ort vorgeschlagen, an
dem nur die Mitglieder der aktiven Gruppe teilnehmen sollten. Baustadtrat
Kabus wies vor zwei Wochen auf Anfrage des Tagesspiegels auf bauliche
Unzulänglichkeiten hin, die Bauaufsicht habe einige Auflagen für die
Weiternutzung gemacht. In zwei bis drei Jahren, rechnet Kabus, werde das
Gebäude abgerissen. Wirtschafts- und Finanzstadtrat Hucklenbroich erklärte
gestern auf Anfrage, eine Räumung des Heims sei nicht geplant. Die
Möglichkeit eines Vorvertrages werde man prüfen. (Tsp)
|

|
Berliner
Morgenpost
vom 28.3.1972
Jugendheim: Polizei nur bei
Straftaten
Bereits am
Sonntagabend diskutierten Schönebergs Bezirksbürgermeister Alfred Gleitze
(SPD), Jugendstadtrat Fritz Schmidt (SPD) — der
seinen Urlaubsbeginn extra um einen
Tag verschoben hatte — und Finanzstadtrat Volker Hucklenbroich
(FDP) im besetzten Jugendfreizeitheim an der Belziger
Straße mit den Besetzern. Wie berichtet, hatten
mehr als 200 Jugendliche, das Haus nach einer Feier am Freitagabend nicht
mehr verlassen und vom Bezirksamt eine Unterschrift unter einen von den
Jugendlichen aufgesetzten Vertrag gefordert.
Gleitze betonte gestern gegenüber der
Berliner Morgenpost, trotz der oft recht hitzigen Diskussion habe er einen
sehr positiven Eindruck von den Jugendlichen
bekommen. Allerdings betrachte das Amt das alles nicht als „Besetzung", da
sich die Jugendlichen Räume genommen hätten, die ihnen ohnehin seit Jahren
zur Verfügung stünden. Auch habe er den Jugendlichen versichert, daß vom
Bezirksamt kein Polizeiaufgebot eingesetzt würde, wenn nicht durch im Heim
begangene strafbare Handlungen ein Grund dazu vorläge.
Gestern nachmittag wurde den Jugendlichen eine vom Bezirksamt aus
gearbeitete Nutzungsvereinbarung vorgelegt, über die heute ab 19
Uhr im Jugendheim öffentlich diskutiert werden soll. |
 |
Berliner
Morgenpost
vom 30.3.1972
Bezirksamt Schöneberg und
Besetzer sind sich fast einig
Das Bezirksamt
Schöneberg und die Besetzer des
Jugendfreizeitheimes an der Beiziger Straße 4-6 werden in absehbarer Zeit
einen Vertrag über die Nutzung von fünf Räumen des
Jugendfreizeitheimes für eine selbstverwaltete Jugendarbeit abschließen
können. Die Weichen dazu sind gestellt, wenn auch einige strittige
Paragraphen noch endgültig geklärt werden müssen.
„In den wesentlichen Punkten wurde jedoch eine Übereinstimmung erzielt",
erklärte Schönebergs Finanzstadtrat Volker Hucklenbroich (FDP), der zur
Zeit den Jugendstadtrat vertritt. Und auch die Besetzer, größtenteils
Anhänger des „Aufbaukollektivs für ein Schöneberger Jungarbeiter- und
Schüler-Zentrum" sind sich einig: „Der Vertrag wird auf jeden Fall über
die Bühne gehen!" |
 |
Während der Diskussion der
einzelnen Vertragspunkte erklärte Hucklenbroich, der Bezirksamts-Vorschlag
sei in Anlehnung an die Regelung gemacht worden, die das Bezirksamt
Kreuzberg bei der Besetzung „Bethaniens" getroffen habe. In einigen
Punkten sei Schöneberg sogar noch weiter gegangen. Beispielsweise, was die
Haftung des Vereins für eventuelle Schäden gegenüber dem Bezirksamt
betreffe. „Zu haften braucht uns niemand, denn das Jugendfreizeitheim wird
in einigen Jahren ohnehin dem Straßenbau weichen müssen", meint
Hucklenbroich. Sobald allerdings abzusehen ist, daß das Freizeitheim vom
Verein nicht mehr genutzt werden kann, wird das
Bezirksamt verpflichtet, unverzüglich mindestens gleichwertige Räume zur
Verfügung zu stellen.
Rückwirkend vom 24. März an ist der noch zu gründende Verein „Schöneberger
Jungarbeiter- und Schülerzentrum" vertraglich berechtigt, in den Räumen
des Freizeitheimes „Veranstaltungen mit dem Ziel der Förderung von
gesellschaftspolitischem und kulturellem Engagement Jugendlicher in Schule
und Betrieb" zu veranstalten. Die Frage zur
Finanzierung des Projektes soll von beiden Vertragspartnern in
Zusammenarbeit mit dem Senator für Familie, Jugend und Sport geklärt
werden. Hucklenbroich versicherte aber, daß dem Jugendheim bisher
zufließende Mittel aus dem „Bezirkssäckel" auch weiterhin dem Verein zur
Verfügung gestellt würden. |
|