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Archiv Rock und Revolte
Texte

 

THE BOOTS
Die Geschichte der besten deutschen Band aller Zeiten


Von Mike Korbik

Wo fang ich an? Am Anfang, klar? Der war für mich erst Mitte der 70er Jahre. Ich bin die entscheidenden 2-3 Jahre zu jung, um die Boots schon damals zur Zeit ihres Wirkens und Erfolgs erlebt zu haben. Ich habe zwar ab ca. 1966 regelmäßig lokale Beatbands im Jugendheim um die Ecke sehen dürfen, aber die Boots waren da schon zu bekannt oder was weiß ich. Jedenfalls haben sie bei uns nicht gespielt und ihre Platten gab es wohl auch nicht überall. Keiner meiner älteren Kumpels hatte jemals Boots-Platten, also bekam ich von ihnen auch nichts mit.

Erst 8 Jahre später an der Uni beim KSV (Kommunistischer Studenten Verband) lernte ich einen alten Beatfan kennen, der mir die LP „Here are the Boots“ mal auslieh.

Da war es um mich geschehen. Diese Scheibe haute mich dermaßen um, dass ich sogar davon träumte und erst wieder ruhig schlafen konnte, als ich ein gut erhaltenes Exemplar auf dem Flohmarkt fand & für den Spottpreis von 10 DM nach Hause tragen durfte. Die Singles und die 2. LP waren da schon schwerer zu bekommen. Aber jener Beatfan vom KSV machte mich auch darauf aufmerksam, dass ich den rarsten Boots-Song überhaupt besaß. „Aber ich blieb kühl“, die deutsche Version eines obskuren Blues/Jazz Titels von Oscar Brown jr., erschien 1966 auf der Compilation „Beat bis zum Wecken“, die weitere Berliner und andere deutsche Bands der Zeit vorstellte. Diese Platte hatte ich vom DJ unseres Jugendheims als Weißmuster ohne Cover geschenkt bekommen. Somit ist es genau genommen sogar meine 1. LP überhaupt, die mich damals allerdings wenig beeindruckte. Und ich muss heute sagen, besonders toll ist die Scheibe immer noch nicht, trotz Patina, die sie inzwischen angesetzt hat. Nun aber zur Geschichte der besten deutschen Band aller Zeiten.

Es begann damit, daß Jörg „Jockel“ Schulte-Eckel (Guitar, Vocals), Heinz Hoff (Drums), Armando „Blacky“ Lindinger (Vocals, Guitar) und ein gewisser Hardy (Bass) als The Boots begannen, von sich reden zu machen. Das war 1964. Sie spielten R&B-Standards von Chuck Berry und ähnliches und orientierten sich an britischen Bands wie den Stones. Genauso wie ihre schärfsten Konkurrenten um den Berliner Beat Thron, The Hound Dogs kamen die Boots mehrheitlich aus dem Wedding, einem klassischen Berliner Arbeiterbezirk. In kurzer Zeit erspielten sie sich einen solchen Ruf als Live Band, daß sie schon bald außerhalb Berlins Angebote bekamen. So kam es zu einem Engagement für die Starpalast-Kette in Norddeutschland. Bei einem ihrer Gigs in Kiel trafen die Jungs auf Bob Bresser. Bob war als Bassist mit einer holländisch-indonesischen Combo The Jeckills (die spielten eine Art Shadows-Verschnitt) auf Tournee & blieb in Kiel hängen, da die Truppe sich als wenig konsistent herausstellte. Boots Basser Hardy war wohl eh nicht so ganz der Richtige, und so gab es einen fliegenden Wechsel: Abgang Hardy zurück nach Berlin, Auftritt Bob für den Rest der Tournee und dann als festes Bandmitglied. Die Tour endete in Cuxhaven, wo die Band den Jahreswechsel 1964/65 erlebte. Heinz und Blacky fuhren zurück nach Berlin, doch Jockel und Bob blieben an der Waterkant mit kaum einen Pfennig in der Tasche. Aber Heinz konnte einen Gig im Casino am Funkturm klar machen, und so kratzten die beiden Exilanten alles Geld zusammen und kauften 2 Bahntickets nach Berlin. An der DDR-Grenze brauchte Bob als Ausländer ein Visum für die DDR Grenze für 10 DM. Und da die beiden nun völlig pleite waren, wäre die Karriere der Boots bereits in den frühen Januartagen 1965 jäh zu Ende gewesen, hätte nicht ein amerikanischer Geschäftsmann ohne Vorurteile gegenüber langhaarigen Musikern helfend eingegriffen und das Visum bezahlt. So wurde der Gig am 17.Januar 1965 zu einem der bis dato besten der Boots und führte zu einem ständigen Engagement im Casa Leon in der Hasenheide in Berlin-Neukölln.

Die bereits erwähnten Hound Dogs gab es schon ein paar Jahre länger. Sie waren die rohe ungeschliffene R&B Variante, vergleichbar mit den frühen Pretty Things. Sänger der Hound Dogs war in jenen Tagen Werner Krabbe. Der sah, dass die andere Berliner Beat Band die musikalisch kompetentere war. Die Möglichkeiten der Hound Dogs blieben dagegen doch immer recht eindimensional. Viel Power, aber wenig Gefühl für Nuancen und Abwechslung. Also stieg Werner bei den Boots als Sänger ein. Ulli Grün, der zuvor ständig mit den Hound Dogs rumhing und auch schon mal die Rhythmus-Gitarre schlug, folgte ihm & wurde schließlich Organist der Boots. Die Orgel zu spielen, lernte er on stage, so daß er schon bald seinen wilden unverwechselbaren Stil erreicht hatte. Blacky, der sowieso lieber Country Musik spielen wollte, hatte die Band verlassen und die Boots steuerten unaufhaltsam ihren größten musikalischen und auch finanziellen Erfolgen entgegen. Jockel: „Seit Werner & Ulli bei uns eingestiegen waren, ging es richtig ab. Unser Manager hatte uns ein paar Gigs in Bayern besorgt. Als wir zurückkamen, nahm die Berliner Presse viel mehr Notiz von uns. Finanziell ging es uns gut, weil uns viele Leute sehen wollten. Wir spielten fast täglich in Berlin, oft in Jugendheimen. Wir bekamen auch mehr und mehr Angebote aus Westdeutschland. Das waren meist feste Engagements, keine Tourneen. Dieter Behlinda, unser Manager, brachte uns auch ins Vorprogramm der Kinks oder Casey Jones oder den Who. So spielten wir auch in der Waldbühne und im Sportpalast. Die Freilichtbühne in der Hasenheide mit 3000 Sitzplätzen schafften wir als Headliner zu füllen. Das war an einem Sommernachmittag. Es war so voll, dass wir nach dem Auftritt heimlich durch den Hinterausgang verschwinden mussten, weil die Kids uns sonst die Sachen vom Leib gerissen hätten.“

Das Repertoire der Boots bestand zu der Zeit nach wie vor aus R&B Standards & Covern britischer Bands. Jockel spielte eine Halbakustik Gitarre, eine Gibson Stereo. Er bringt die Solos, wobei er durchaus kreativ von den Vorgaben der Originalplatten abweicht. Berühmt geworden ist sein Bottleneck Solo mit der Fantaflasche bei Gloria. Ulli spielt Ryhthmus Gitarre, ebenfalls auf einer Halbakustik. Aber sein wichtigster und unverwechselbarer Beitrag zum Boots Sound sind seine schweren Orgel- Riffs und teilweise schon psychedelischen Solos auf der Hammond. Heinz ist ein großartiger Drummer. Er versteht es wie kein zweiter, sich der Stimmung eines Songs oder Stils anzupassen und absolut eigenständig dazu zu spielen. Ob hart und gerade oder leicht und swingend, ob im Shuffle Rhythmus oder in freier Jazz Form, Heinz macht alles! Werner ist Deutschlands bester Blues Sänger, nicht nur ein Shouter. Und Bob spielt solide und zuverlässig seine Bassläufe und bildet mit Heinz ein absolut zuverlässiges rhythmisches Rückgrat. Außerdem behielt er den Überblick und kassierte die Gagen, denn im Gegensatz zu den anderen Boots blieb er den ganzen Abend weitgehend nüchtern. Und so ein Abend im Top Ten in Rudow oder im Seeschloß in Hermsdorf konnte lang werden. Wenn die Teenies um 22.00 Uhr nach hause mussten, dann begannen die Boots richtig aufzudrehen. Da spielten sie schon mal längere Improvisationen. Oder sie kramten unbekanntere Titel vor, experimentierten mit Sounds & Arrangements. Augen- & Ohrenzeugen berichteten mir, so stellten sie sich im Nachhinein vor, hätten die 13th Floor Elevators 1966 in Texas oder die Yardbirds in London oder andere ähnliche Band in Schweden und wo auch immer auf der Bühne geklungen. Die Boots als Avantgarde des R&B, als innovative Veränderer der Popmusik? Wer weiß? – Aber ich greife vor.

Im Frühjahr 1965 tauchte ein gewisser Paul Murphy, seinerzeit Talent Scout für Telefunken-Decca immer öfter bei Gigs auf. Er redete von Plattenaufnahmen, aber niemand glaubte so recht daran. Bob erinnert sich: „Plötzlich kam Behlinda & wedelte mit einem Vertrag. Die Leute bei Teldec wunderten sich wohl, warum die Platten von Them sich in Berlin so gut verkauften. Es gab halt eine Menge Boots Fans in der Stadt, die wollten Platten von ihrer Lieblingsband kaufen. Und weil es keine gab, nahmen sie stattdessen die Originale ... Die Aufnahmesession war eher so was wie ein schlechter Trip. Morgens um 7.30 Uhr sollten wir da sein. Um 7 Uhr warteten wir immer noch auf Jockel am verabredeten Treffpunkt. Wir suchten ihn überall und fanden ihn schließlich im Bett eines Mädels, das ihn in der Nacht zuvor abgeschleppt hatte. Er hatte einen ordentlichen Kater und meinte nur: ‚Lasst gut sein Jungs, wir gehen morgen hin.‘ Naja, jedenfalls kriegten wir Jockel endlich ins Auto. Als wir im Studio ankamen, zu spät natürlich, sagten sie uns, wir sollten einfach spielen, was wir sonst immer spielten, den normalen Set am besten. 2 Stunden später rief jemand aus dem Kontrollraum: ‚Stop! Alles klar, wir sind fertig.“

Die Band war im Nachhinein mit dem Ergebnis überhaupt nicht zufrieden. Aber obwohl man vielleicht zugestehen kann, dass sie live wilder & dreckiger klangen, ist die Platte, die da in den Berliner Teldec Studios in Lichterfelde ohne Overdubs & andere Fiesemantenten entstand, definitiv die beste deutsche LP der 60s. Ja sie hält sogar internationale Vergleiche aus. Werner: „Diese Leute waren einfach zu alt! Dauernd rief einer: macht mal leiser. Dabei brauchten die Vox Verstärker doch volle Lautstärke, um diesen wunderbaren verzerrten Klang zu liefern.“ Bob: „Dieser typische dreckige Gitarrensound ist völlig weg. Wenn Jockel seine Gitarre mit der Fantaflasche malträtierte, war das nicht einfach ne Bottleneck Imitation, es war ein Trip, einzigartig, verrückt! Das haben sie alles zerstört. Wenn Ulli ein jaulendes Orgel Solo spielte, mixten sie die Rhythmus-Gitarre nach vorn. Totale Scheiße!“ Wie gesagt, alles ist relativ. Ich liebe diese Platte „Here are the Boots“ nach wie vor. Sie hat einen unglaublich präsenten Sound und eine wunderbare Dynamik! Die Platten der Rattles oder der Lords oder anderer deutscher Beatcombos sind dagegen ein Witz.

Zwei Singles erschienen aus dem Album, die auch komplett auf der LP enthalten sind: But You Never do It Babe /bw Dimples und Gloria /bw Walking In The Sand. Auch aus derselben Session stammt die dritte Single: In The Midnight Hour /bw Watch Your Step, die mit Applaus unterlegt wurde, eine beliebte Methode in den Sixties, um Authentizität herzustellen. Die LP enthält neben den ersten beiden Singels die Titel: She’s About A Mover / Hey Mama, Keep Your Big Mouth Shut / It Ain‘t Necessarily So / Got Love If You Want It / Enchanted Sea / Baby. Please Don’t Go / Watcha Gonna Do About It / When I Loved Her / Jump Back, Baby / Boogie Children. Das sind zwar alles Coverversionen, aber wie die Boots die Titel spielen, ist einfach phänomenal! Die ganze Palette ihrer Ausdrucksmöglichkeiten kommt hier zum tragen. Von der bluesigen Ballade über diverse R&B Kracher bis zum Echo überladenen Psycho-Instrumental, und dabei ist es immer noch genug Pop, um auch ein breites Publikum zu begeistern. Die Boots Version von Gloria ist die beste, die je eine Band auf dieser Erde aufgenommen hat. Aber eh die Begeisterung völlig mit mir durchgeht, zurück zur Geschichte.

Etwa zur gleichen Zeit wie die LP Here Are The Boots erschienen auch zwei Sampler:

Live At The Liverpool Hoop No. 1 und No. 2 mit den Boots und anderen Bands. Die Aufnahmen wurden wohl tatsächlich im Liverpool Hoop gemacht. Das war ein Club, der Dieter Behlinda gehörte, in der Nähe des Nollendorffplatzes. Ich glaube, es war Motzstr. Ecke Eisenacher Str., wo heute die vielen Schwulenbars sind. Die Titel im einzelnen sind: Crazy Enough For Me / Spoonful auf No. 1 und In The Midnight Hour / I Wish You Would / Watch Your Step / One More Time auf No. 2. Diese Liveaufnahmen sind aber wohl auch nicht unter realen Bedingungen, wie sonst bei den Boots Auftritten üblich waren, gemacht. Klasse sind sie aber allemal! 1966/67 waren die Boots mindestens dreimal im Fernsehen zu bewundern. So spielten sie einmal live im legendären Bremer Beat Club und und sie traten auch zweimal in der Drehscheibe des ZDF auf. Zumindest die entsprechende Beat Club Folge wurde Ende der 70er in den 3. Programmen wiederholt (vielleicht auch später noch mal). Sollte jemand von euch geneigte Leser einen Mitschnitt davon sein eigen nennen, ich wäre für die Überspielung mehr als nur einfach dankbar!

Die Tourneen und Gastspielverpflichtungen in Westdeutschland häuften sich. Die Boots waren eine der beliebtesten und erfolgreichsten Live Bands, vor allem im Norden und Westen der Republik, aber auch in Bayern und Franken hatten sie reichlich Fans. Werner ging der Stress des ständigen On the Road Lebens bald auf die Nerven. Außerdem zogen ihn familiäre Bande stärker als die anderen heim zu Weib und Kind. Daher haute er eines Tages einfach ab, und die übrigen Boots fanden nur einen Zettel von ihm im Hotelzimmer. Eine Weile machten sie ohne ihn weiter, schließlich hatte Jockel schon früher recht ordentlich gesungen. In dieser Zeit entstand auch der Titel „Aber ich blieb kühl“, der wohl auch nicht ganz ernst gemeinte Reaktion auf das Ansinnen von Plattenfirma und Behlinda zu verstehen ist, man möge doch mal Deutsch singen.

Dann tauchte Werner wieder auf. Und es entstand „Gaby“, der einzige selbst verfasste Song der Boots. Die Credits haben Werner (Text) und Bob (Musik), aber laut Jockel war es wohl mehr eine Bandkomposition. Wie auch immer, „Gaby“ ist eine großartige Mod-Power-Pop Nummer, ganz im Stil der Creation, Who oder Small Faces. Die Boots waren damit absolut auf der Höhe der Zeit! Die Single passt wunderbar zum Swinging London anno 66/67! Der Song erschien als Single 1966, auf der B-Seite fand sich eine Coverversion des Schmachtfetzens „Another Tear Falls“, im Original von den damals super angesagten Walker Brothers. Einzige Eigenkomposition stimmt nicht ganz. Wie sich jetzt herausstellte, gab es da vermutlich aus dieser Session, jedenfalls aus der gleichen Zeit, einen Song mit deutschem Text: Hey-Hey Hey-Hey (Der Sinn des Lebens), musikalisch ähnlich wie Gaby, wenn auch nicht von derselben Klasse. Der Text von Werner erinnert mich irgendwie an die Lyrics von DDR Bands wie Team 4 oder die frühen Puhdys. Dieser Titel befindet sich befindet sich auf dem CD Re-Issue der 2. Boots LP als Bonustrack genauso übrigens wie Gaby nebst Flipside und die Titel von Live at the Liverpool Hoop No. 1.

Die LP Beat With The Boots war schon eine merkwürdige Angelegenheit. Puristen und Fans der ersten Stunde haben sie regelrecht gehasst. Die Zeichen der Zeit standen 1967 nicht nur auf Flower Power, sondern auch auf Soul, ob nun Motown oder James Brown und Wilson Pickett. Als R&B Band hatten die Boots natürlich auch eine starke Affinität zum Memphis Soul und sahen da für sich eine Marktlücke in Good Old Germany. Werner konnte damit nun gar nichts anfangen. Konsequenterweise stieg er aus und widmete sich seinem anderen Hobby. Werner Krabbe (sic!) betreibt seither in Berlin Spandau eine Zoohandlung. Bob brachte einen Bekannten aus Holland als neuen Frontmann in die Band: Jacques Eckhard, ein strohblonder Sunnyboy mit zeitgemäßem Artpop Outfit und einer gar nicht so schlechten Stimme. Teldec wollte unbedingt, daß ihr Hauskomponist Sanford Alexander aus Hamburg diesmal mit von der Partie ist. Also waren knapp 1/3 der Songs auf der LP von ihm. Ziemlich albern, wenn man bedenkt, daß die Boots diese Titel nie live spielten. Der Rest waren Soul Cover, die einfach nicht adäquat umgesetzt wurden. Live haben Green Onions oder Barefootin‘ wunderbar funktioniert. Im Studio klang alles etwas zu künstlich & bemüht. Dennoch ist die Platte aus der Rückschau betrachtet nicht so übel. Ullis Hammond groovt ganz schön ab, Heinz ist auch hier der sichere Rhythmus Virtuose. Jockel kam diesmal tatsächlich zu spät zur Aufnahme. Die anderen waren mächtig sauer auf ihn und hatten inzwischen den exzellenten Musiker Ingo Kramer von der Berliner Band The Odd Persons geholt. Aber Jockels aggressiver Stil war nicht zu ersetzen. Eine Single Alexander /bw Don’t Want To Go On Without You wurde ausgekoppelt. Neben den schon genannten Titeln finden sich auf der LP: Get Out Of My Life Woman / Searching Days / It’s A Man’s Man’s World / I Feel Good / It Was A Private Affair / I Can Not Believe / Do You Really Know / Don’t Fight It / Comin‘ Home / Out Of Sight. Alles in allem eine sehr orgellastige Soulpop Scheibe, die durchaus ihre Momente hat.

Doch die Boots hatten ihren Zenith überschritten. Am Ende wurden die Jungs auch noch von ihrem Manager Dieter Behlinda so richtig über den Tisch gezogen. Wie fast alle Musiker in den Sixties waren die Boots total blauäugig. Sie wollten in erster Linie ihre Musik spielen, immer genug Bier, was zu beißen und natürlich hübsche junge Mädels. Alles andere war ihnen ziemlich wurscht. (Ich hab` übrigens manchmal so meine Zweifel, ob sich da bis heute wesentlich was geändert hat). Alles geschäftliche regelte Behlinda. Wie viele Platten verkauft wurden, wusste nur er. Nachdem Teldec die Band gedropt hatte, spielten sie zunächst weiter quer durch Deutschland. Ihre Popularität als tolle Live Band war zunächst ungebrochen. Von Behlinda als Agenten hatten sie sich getrennt und buchten ihre Gigs selber. Jacques gefiel die Richtung der Band immer weniger und er ging zurück nach Holland. Für kurze Zeit rekrutierten die Boots den schwarzen Jamaikaner Sunshine (Earl Woodham) als Sänger. Da tauchte Behlinda plötzlich aus Nacht und Nebel bei einem Gig in Kiel auf und wedelte mal wieder mit einem Vertrag. So sagte er jedenfalls. Er stellte die Band vor die Wahl: entweder ein Scheck von Teldec mit den gesamten Royalties von Teldec oder ein Vorvertrag mit CBS. Die Nasen entschieden sich für den Vorvertrag und sahen demzufolge bis heute keinen Pfennig von den Erlösen ihrer Platten.

1968 kam ein jähes Ende, nachdem ihr Tourmanager nach einem Gig in Wien mitsamt Bus, Equipment und Gage das Weite gesucht hatte. CBS wollte von einem Vorvertrag nichts wissen und zeigte sich desinteressiert an der Band. Bob begann in Berlin zu studieren. Heinz und Ulli folgten wenig später einem Anruf von Jacques aus Holland, der von einem Plattenvertrag erzählte. Zwei Singles erschienen dort bei Philips 1968/69. Aber die sind nun wirklich nicht besonders toll. Ich hab‘ sie nur einmal vor Jahren gehört und kann mich kaum noch daran erinnern. Kein bleibender Eindruck jedenfalls. Für kurze Zeit schloss sich Heinz einer religiösen Sekte an. Ulli wurde Fernmeldetechniker. Jockel wurde Student wie Bob. Inzwischen leben Jockel, Heinz & Ulli alle in der Gegend von Nürnberg. Dort gehörten Heinz und Ulli übrigens Anfang der 70er zur letzten Besetzung von „Ihre Kinder“, einer völlig zu unrecht vergessenen Band, die in ihrer besten Zeit wie eine deutschsprachige Version von Buffalo Springfield klang.

Aber die Geschichte ist noch nicht zu Ende. Anfang der 80er erschien eine Box mit 3 LPs bei Merseyside’s Greatest in Hannover. Die Box enthielt somit das Gesamtwerk der Band, bis auf die Philips Singles. Die Aufmachung war ein bisschen dürftig, aber immerhin konnten die Nachgeborenen die beste deutsche Band so kennenlernen. Kurz darauf erschien bei Dynamite Records eine 7‘ EP der „Beatband“. Dahinter verbargen sich Werner Krabbe und ein paar alte Haudegen aus den Hound Dogs Tagen. Die Platte ist ganz ok, aber mit den Boots nicht zu vergleichen. Die Beatband trat auch mehrfach live auf in Berlin. Doch hatten diese Auftritte mehr das Fluidum unsäglicher Bierhaus Oldie Kapellen, obgleich die Combo nach ausreichend Bierkonsum durchaus recht wild war. Teldec brachte so um 1982 die LP Here Are The Boots im Originalcover wieder raus. Und auch in den 90ern wurde die Scheibe nochmal re-released, diesmal in Lizenz von Pin-Up Records. Inzwischen gibt es, wie schon erwähnt, beide LPs wieder als CDs mit Bonustracks, so daß alles, was für Teldec aufgenommen wurde, nun wieder erhältlich ist. Es wurde das Original Artwork verwendet und ein paar hübsche Archiv-Fotos dazu. Die Band (bis auf Werner) erfuhr von den Re-Issues mal wieder nur aus der Presse.

Im Dezember 1994 gab es anlässlich von Jockels 50. Geburtstag ein Reunion Konzert in Fürth. Was die alten Herren da auf die Bretter legten konnte sich sehen und hören lassen. Klar, die Zeit ist nicht stehen geblieben. Ulli sieht mit seinem Schnauzer & Glatze aus wie der Deutschlehrer meiner Tochter. Auch Jockel hat nur noch wenig Haare, ist aber sonst gut in Schuß. Graumeliert sind sie alle! Was soll’s? Die Musik, die da von der Bühne kam, war so großartig wie früher. Mit geschlossenen Augen konnte man meinen, die Zeit sei stehen geblieben. Nach etwa zwei Stunden kamen auch Gastmusiker auf die Bühne, deren Berechtigung dort zu spielen wohl eher familiärer Natur war. Aber es wurde nie wirklich peinlich. Alles in allem war es ein toller Abend und die lange Anfahrt allemal wert.

Es wäre schön, wenn ihr Euer nächstes Konzert hier in Berlin abhalten könntet. Hier, wo Ihr immer noch zahlreiche Fans habt.

Bedanken möchte ich mich bei Hans-Jürgen Klitsch, Peter Holluch, Christian Huhn & Sandy Hobbs, die alle auf die eine oder andere Art mein Wissen um die Geschichte der Boots erweitert haben. Die Zitate stammen aus Interviews, die in Gorilla Beat 14/82 (Bob & Werner) bzw. Spendid 3/88 (Jockel) erschienen. Nicht zuletzt gilt mein Dank dieser wunderbaren Band!


The Boots rule OK!

Quelle:  Useless Early Ripes 1998
 

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