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Rock und Revolte
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pop macht politik Was ist ein Protestsong? Lied, "Volkslied", Schlager, Chanson, Sprechgesang, politisches Lied, Arbeiterbewegungslied, Protestsong, Liedermacher/innen, Folk(-Revival), Folk-Rock von Günther Jacob Fragen, die uns interessieren: Handelt es sich bei Michael Jacksons "Earth Song" oder "They Don't Care About Us" um Protestlieder?. War Herbert Grönemeyer ein "deutscher Billy Bragg", als er 1984 "Bochum" sang? Sind FSK eine Neo-Folk- oder eine Camp-Folk-Band? Woran läßt sich erkennen, daß Künstler bzw. Bands links stehen? Daran, daß sie immer eine etwas ältere Technik benutzen, sich an 60er Jahre-Gruppen wie The Kinks oder an Punk orientieren, lokale Mundarten imitieren, "Ethno" und "Tradition" zitieren und ihre Platten in linken Blättern als Aboprämie ausgelobt werden? Also daran, daß sie "progressive Inhalte" mit "konservativen Formen" kombinieren? Müssen kritische Kommentare zu den kapitalistischen Verhältnisse unbedingt zur - akustischen oder elektrischen - Klampfe vorgetragen werden? Zeigt nicht HipHop, daß es mit HighTech einfacher geht und das Ergebnis zudem tanzbarer ist? Wahrscheinlich sind diese Fragen ganz falsch gestellt, denn sie fallen offenbar hinter Diskussionen zurück, die schon in den 80er Jahren mit den linearen Hierarchisierungen entlang dem Fortschrittsparadigma aufgeräumt haben. Wieso sollten Linke ihre Einwände nicht, ob mit oder ohne Rock'n'Roll, in Liedform vortragen und vom Publikum die volle Aufmerksamkeit verlangen? Sollen sie doch. Von einem "Pop-Standpunkt" aus, kann die Existenz von Techno kein Argument gegen Folk-Songs sein, weil es im Pop weder eine geschichtliche noch eine synchrone Ordnung gibt. Im Pop gibt es keine dominanten Stile, die andere Aktivitäten zwingen können, sich im Verhältnis zu ihnen zu rechtfertigen. Es gibt auch keine Abfolge von Schulen, was bedeutet, daß die Metaphorik der Evolution keinen Sinn macht. Pop ist richtungslose Veränderung; es gibt keine von "Vorgängern" hinterlassenen Probleme, die noch gelöst werden müssen. Selbst der Stilbegriff (und die damit einhergehenden Kategorien wie "Zitat", "Eklektizismus", "Crossover", "Avantgarde" etc.) macht hier keinen Sinn. Retro-Moden und "Future Sounds" stehen gleichberechtigt nebeneinander. Auch wenn die Anhänger des einen oder anderen (temporären) "Genres" auf Abgrenzung bedacht sind - es gibt nur Koexistenz der Vorlieben und Geschmacksunterschiede. Techno und Folk können schon morgen fusionieren, es gibt sogar erste Beispiele dafür. So gesehen, gibt es also mit dem "altmodischen" Protestsong kein Problem. Seit dem Agitpop-Rap, könnten sich eventuelle Einwände ohnehin nur auf den fehlenden Groove beziehen. Aber das Dogma "groovy", das für Leute mit einer Punk-Sozialisation gestern noch völlig unerheblich war, kann schon durch die nächste gelungene "experimentelle" Platte relativiert werden. Die eingangs gestellten Fragen sind mit diesen Einwänden aber nur teilweise entkräftet. Der Eindruck bleibt, daß dem Protestsong (der Liedermacher) etwas Unzeitgemäßes anhaftet. Doch was ist es, wenn es nicht einfach die Klampfe ist? Die Distanz zum Pop scheint nicht so sehr im musikalischen Arrangement zu liegen, sondern in einem heute irgendwie befremdlich wirkenden Glauben an die jederzeitige Abbildbarkeit von Wirklichkeit. In vielen Protestsongs erscheinen die negativen oder positiven Helden als erstaunlich stabile Charaktere, denen nicht nur bestimmte Eigenschaften und Überzeugungen, sondern auch Konsumweisen und Warengattungen fest zugeordnet sind; der Sinn aller Symbole und Codes scheint eindeutig zu sein. Die meisten Protestsongs wollen uns sagen, daß unser Koordinatensystem hervorragend funktioniert, obwohl wir täglich erfahren, wie kontext- und deutungsabhängig soziale Beziehungen sind. "Champagner trinken" kann so viel Verschiedenes bedeuten. In Protestsongs wird Champagner immer nur von Bankern getrunken. Old School-Agitprop scheitert, abgesehen davon, daß er hoffnungslos mit der Geschäftsreklame konkurriert, heute daran, daß die sozialen Charaktere beweglicher geworden sind und sich dem Fixierungsinteresse dieses Ansatzes entziehen. Die heutige populäre Musik zeichnet sich demgegenüber durch ihre Selbstbezüglichkeit aus. Sie will nichts anderes darstellen als ihre eigene Praxis. Die nachahmende Darstellung von "Realität" ist nicht ihre Sache. Der Protestsong hingegen ringt um ein tieferes Eindringen in die Verhältnisse und möchte den durch die Konventionen getrübten Blick aufklären. Bedingt durch die "Tradition", in der die meisten Liedermacher/innen sich sehen, halten sie Wirklichkeit für eine ziemlich eindeutige Angelegenheit. Sie ist zwar veränderbar, aber letztlich doch objektiv und wesenhaft. Wenn die soziale und diskursive Konstruktion von Wirklichkeit aber übersehen wird, kann der Protest, das, was es zu kritisieren gilt, festschreiben. Bei einem bekannten Liedermacher, dessen Namen hier nebensächlich ist, heißt es zum Beispiel: "Und wenn sie in deiner Schule plötzlich lästern über Schwule, schwarze Kinder spüren lassen, wie sie andere Rassen hassen, Lehrer, anstatt auszusterben, Deutschland wieder braun verderben, dann hab keine Angst zu schrei'n: Sage NEIN!" Indem der Poet die Existenz von "Schwulen", "Schwarzen" und "Rassen" als unhinterfragbare Tatsache akzeptiert, hat er sein Publikum unter der Hand schon als "normal" definiert. Sein Appell richtet sich an "uns", an die "normale Mehrheit". Denn "wir" sollen ja den "fremden Rassen" etc. gegenüber tolerant sein. Gleichzeitig wird klargestellt, daß die kritisierten Intoleranten auch zu "uns" gehören, während z.B. die "schwarzen Kinder" weiterhin außen vor bleiben müssen, denn sie sind ja schon als die definiert, denen gegenüber "wir" uns tolerant zeigen sollen. Der Diskurs der Sexisten und Rassisten wird also unterstützt, indem man ihre Konstruktion der Anderen bestätigt. Man teilt mit ihnen die Überzeugung, daß Schwul-Sein und Schwarz-Sein objektive Eigenschaften sind, also nicht das Ergebnis von Zuschreibungen. Hinzu kommt der Ort, von dem aus der Poet spricht: Indem er sich auf den abendländischen Toleranzdiskurs beruft, erklärt er sich selbst zu einem besseren Menschen, der dem Rassisten charakterlich überlegen ist. Damit erscheint Rassismus als eine Frage des guten Willens: "Sag NEIN!" So einfach ist das. Die Frage drängt sich auf, was "engagierte Kunst" überhaupt sein kann und woran sie zu erkennen ist? Ist es denkbar, daß eine "Betroffenheitsliteratur" wie die zitierte, von einer ganz tollen Musik getragen wird? Gibt es überhaupt eine "adäquate" (z.B. eine linke) Musik, oder sind Melodien und Rhythmen nur Behälter, die sich beliebig füllen lassen? Das sind schwierige Themen, die an dieser Stelle nicht erörtert werden können. Die folgenden Definitionsversuche können jedoch in erster Annäherung den Typus "Topical Song/engagiertes Lied" etwas genauer einordnen (über "Polit Rock" oder "Conscious Rap" wäre separat zu sprechen). Vom Agit-Prop zum Agit-Pop Die Wirkung einer Liedermacher-CD hängt davon ab, welche Scheibe vorher im CD-Player steckte. Wenn eben noch Nick Caves "Murder Ballads" liefen oder die neuste Frank Sinatra-Selection, dann fällt der Themenwechsel nicht so schwer. Wer aber gerade noch den HipHop-Sampler "Don't Be A Menace" oder den House-Sampler "The Chicago Allstars" im Ohr hatte, wird beim Übergang zu Topical Songs ziemlich unvermittelt mit einer fremdartig erscheinenden Welt konfrontiert - der Welt des LIEDES. Mit dem Lied müssen wir also beginnen, wenn wir uns mit "Protestmusik" auseinandersetzen wollen: Das Lied ist eine Vortragsform, an der Sprache und Musik gleichermaßen Anteil haben. Dabei ist die Melodie meist so gefaßt, daß sie durch Einfachheit und gleichmäßige Geschlossenheit eine weitgehende Sprachnähe gewährleistet. Als Lied läßt sich auch balladeske und im Sprechgesang vorgetragene Dichtung einordnen, die - wir sprechen hier nur von Europa - auf die lateinische Strophendichtung, auf den einstimmigen Gregorianischen Gesang sowie auf die südfranzösischen - meist adeligen - Dichterkomponisten (Troubadours) zurückgeht, die ihre einstimmigen Lieder entweder selbst vortrugen oder von Bediensteten zu Instrumentalmusik vortrugen liesen. Einen wichtigen Einfluß auf die Strophendichtung hatten auch die höfisch-ritterliche Liebeslyrik (Minnegesang), deren z.T. sehr komplexe Vers- und Reimkombinationen im 18. Jahrhundert wieder entdeckt und nachgebildet wurden, sowie die Singschulen der sogenannten Meistersinger-Zünfte des 15./16. Jahrhunderts. Das "Volkslied" Damit fangen alle Mißverständnisse an. Noch immer glauben auch viele Linke, es gäbe so etwas wie ein "authentisches Volkslied". Doch das "Volkslied" ist eine ideologische Konstruktion, die 1773 von J.G. Herder geprägt und später u.a. von Goethe durchgesetzt wurde, um einen Gegensatz zur damaligen Gelehrten- und Individualpoesie zu schaffen. Die Absicht war, Begriffe wie Bauerngesang, Gassenhauer, Straßenlied etc. in einem homogenisierenden Volksbegriff untergehen zu lassen. Im "Volkslied", so wurde damals argumentiert, hätten jene natur- und vernunftgemäßen Werte eine verbindliche Gestalt angenommen, auf deren "gesunder" Grundlage die "Nation" aufgebaut werden könne. Ein zentraler Bestandteil dieses romantischen Nationalismus ist die Vorstellung von der anonymen und kollektiven Produktion der Musik durch einen schöpferischen "Volksgeist". Tatsächlich sind jedoch fast alle "Volkslieder" von namentlich bekannten Verfasser/innen geschrieben worden, die nur selten aus unteren sozialen Schichten kamen. Aber selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, so bleibt doch entscheidend, daß die "Volkslieder" musikalisch der Hörgewohnheit der europäischen "Kunstmusik" folgten: Im Unterschied etwa zu Rock & Pop, beginnt der Takt durchweg mit einer betonten Einheit. Viele dieser Lieder sind nicht mehr als "folklorisierte" (auch "Folklore" bzw. "Volkskunst" sind Konstruktionen nationalistischer Ideologen!) Umdichtungen bekannter Kirchenlieder und anderer "Kunstlieder" zu Stimmungs-, Trink- oder Karnevalsliedern. Was als "Volkslied" zu gelten hat, wurde von den großen "wissenschaftlichen Sammlungen" entschieden, etwa durch Erlachs "Die Volkslieder der Deutschen" (5 Bände, 1834). Seit 1914 führt das Freiburger Deutsche Volksliedarchiv diese Linie fort. Auch Linken, die dem "Volk" den Hof machen wollen, erschien das "Volkslied" immer als reizvoller Bezugspunkt. Aus dem, was die Leute so singen, wird dann recht umstandslos eine Neigung zu Protest und Widerstand gegen "die da oben" herausgehört. Nach dieser Vorstellung stehen einer vorab unschuldigen wie auch vorideologischen Lebenswelt die Kolonialisierungsbestrebungen des "Systems" gegenüber. Man unterstellt damit, daß dem Alltagsleben der "kleinen Leute" die Machtbeziehungen äußerlich sind und daß diese Leute überdies von einem offenbar anthrophologischen und kulturübergreifenden "Drang nach Freiheit" beseelt sind. Zusammengenommen ergeben sich somit ganz viele "positive Traditionen", an denen Linke glauben "ansetzen" zu können. Von den Bauernkriegen bis zur Hamburger Hafenstraße scheint es eine kontinuierliche Widerstandstradition zu geben, in die sich alle stellen können, die glauben, ihre aktuelle Unzufriedenheit vor der Geschichte legitimieren zu müssen. Bisher endete dieser Ansatz regelmäßig in Heimatkitsch und Regionalismus. Es ist unbestritten, daß es in allen Zeiten oppositionelle Strömungen gab, darunter solche, die sich über Arbeit, Fleiß und Untertanengeist lustig machten, wie auch andere (die Mehrheit), die im Namen aller abendländischen Werte gegen die Herrschenden antraten. Solche Unterschiede zu nivillieren, den Konformismus im Protest zu übersehen und pauschal vom guten und überhistorischen Freiheitsdrang auszugehen, war bzw. ist das Geschäft nahezu aller deutschen Liedermacher, sowie bestimmter 70er Jahre-Bands wie Ougenweide oder Elster Silberflug. Hier wie dort glaubte man fest an die Möglichkeit einer "unverfälschten Folklore". Eine Sichtweise, die es übrigens auch anderswo gab und gibt: Erinnert sei an die vielen schrecklichen irischen Folk- und Folk Rock-Bands (auf die bundesdeutsche Volkstümler immer besonders scharf waren), oder auch an den unsäglichen Alan Stivell, dessen "bretonische Melodien" sich nach wie vor gut verkaufen - die letzte LP erschien im Sommer letzten Jahres. Der Schlager hat ebenfalls nichts mit "authentischer Volksmusik" zu tun. Er entstand um 1870 aus besonders erfolgreichen Einzelnummern und Melodievorlagen von Opern, Konzerten, Operetten und Singspielen. Viele der ersten Schlager waren z.B. "Auskoppelungen" aus Johann Strauß-Operetten ("Trinke, Liebchen, trinke"/Fledermaus), aus Carl Zellers "Vogelhändler" ("Schenkt man sich Rosen in Tirol") oder aus Karl Millöckers "Bettelstudent" ("Ach, ich hab sie ja nur auf die Schultern geküßt"). In den 20er Jahren hatte der Einfluß von US-amerikanischen Stilen wie Charleston oder Foxtrott eine teilweise entkrampfende Wirkung auf die deutsche Schlagerproduktion. Diese Entwicklung wurde von den Nazis wieder brutal umgekehrt. Dabei spielte auch der Umstand eine Rolle, daß etliche der populärsten Schlagerkomponisten als Juden verfolgt und in Auschwitz ermordet wurden. Darunter Fritz Löhner aka "Beda", der bedeutendste Texter der 20er Jahre - u.a. "Ausgerechnet Bananen" (1923) - und Richard Fall, der Texter von "Was machst du mit dem Knie, lieber Hans" (1925). Die Voraussetzungen für Nazi-Schlager wie "Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern" oder "Kornblumenblau" waren schnell geschaffen. Die weitere Entwicklung in den Jahren des kalten Vergessens ("Capri-Fischer" bis "Fiesta Mexicana") und danach ("Ich steh' auf Berlin", "Verdammt, ich lieb'dich", "Zillertaler Hochzeitsmarsch" etc.) ist bekannt: Nur der Import angloamerikanischer Musik hat das Schlimmste verhindert. Chansons sind begleitete, mehrstrophige Sololieder, die im 17.Jahrhundert in Frankreich als Liebes-, Trink- und Revolutionslieder entstanden, im 19.Jahrhundert vor allem in Cabarets und literarischen CafÇs vorgetragen und im 20.Jahrhundert schließlich auf Platte gepreßt und als die einzig wahre Nationalkultur exportiert wurden. Der Hype um die französische Variante des Schlagers ist daran Schuld, daß Pop-Musik aus Frankreich international ohne Bedeutung ist. Womit nichts gegen Juliette GrÇco oder den anarchistischen Ex-Schornsteinfeger Georges Brassens gesagt sein soll. Daß Brassens trotz der Radikalität seiner Texte bereits in den 60er Jahren 15 Millionen Tonträger verkaufte, hat übrigens viele deutschsprachige Liedermachern zu ungerechtfertigten Hoffnungen verleitet. Was wiederum bezeichnend ist. Sprechgesang ist eine vokale Deklaration, die sich zwischen Sprechen und Singen bewegt und in Europa vor allem im Melodram, einem Subgenre des musikalischen Bühnenstücks entwickelt wurde. In moderneren Stücken, etwa bei Schönberg ist der Sprechgesang hinsichtlich Rhythmus, Tonhöhe und Aussprache genau vorgeschrieben. Da das auch beim Mainzer Karneval der Fall ist, mußte es dazu kommen, daß Rap in Deutschland auf ein großes Mißverständnis stieß: Man glaubte, das Wesentliche am Rap sei der Endreim und so entstand "deutscher HipHop" ("Schönen guten Abend meine Damen und Herren/Wir machen Rap-Musik und wir hören sie gern"/Fanta 4). Durch eine weitgehende Sprechnähe zeichnet sich auch das (deutschsprachige) Lied aus. Ebenfalls als Sprechgesang können bestimmte Formen einer balladesk vorgetragene Dichtung angesehen werden. Zu erwähnen wären auch diverse Sprechplatten, etwa die von Timothy Leary ("Turn On, Tune In, Drop Out") und William Burroughs ("Call Me Burroughs"), die auf dem Esperanto-Label ESP-Disk' erschienen sind; auch "Reflections" von Iceberg Slim, die Spoken Word-LP "High Priest of Harmful Matter" von Jello Biafra oder das Stück "Word Power" von Devine Styler. Der aktuelle Sprechgesang ist rhythmisch eigenständig und heißt natürlich Rap. Aber auch er hat seine Vorbilder, z.B. die Last Poets oder Reggae Dub Poetry. Eine derzeit angesagte, mehr dichterisch-literarische Variante ist in den USA die sogenannte Slam Poetry. Das politische Lied tritt in Deutschland nur selten als militanter Rebel Song auf, sondern meistens sehr deutsch, sehr zahm und bürgerlich-demokratisch. Die Grundidee ist die der Aufklärung, die in diesem Fall mit der Vorstellung einhergeht, die Leute handelten wie sie handeln, weil ihnen wichtige Informationen vorenthalten würden und nicht etwa, weil sie sich so entschieden haben. Dem Dogma zur Folge haben die kleinen Leute das Herz im Prinzip am richtigen Fleck und wenn sie trotzdem mal einen Fremden totschlagen, dann kann es sich nur um ein Verkennen ihrer eigentlichen Interessen handeln. Zu den Standards deutschsprachiger Politbarden gehört der Wunsch, die Bauernkriege von 1524/25 ("die Enkel fechten's besser aus...") doch noch zu gewinnen und die Bürgerliche Revolution von 1848 endgültig zu vollenden. Hannes Wader zum Beispiel, in dessen Programm ein Gruß an die mittelalterlichen Landwirte noch nie gefehlt hat, bekennt sich wahrheitsgemäß als Radikaldemokrat. Sein Engagement in der Partei der Arbeiterklasse war aber kein Irrtum, denn er hoffte, daß die Proleten den Verrat der Bourgeoisie an ihrem "historischen Auftrag" rächen würden. Hoch im Kurs stehen selbstverständlich auch die Errungenschaften der Französische Revolution - insbesondere die Menschenrechte. Wie schon Marx wußte, möchte man das demokratische Ideal gegen seine schlechte Wirklichkeit ausspielen und die Notwendigkeit dieser "Inkonsequenz" der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft verschweigen. Gewerkschaftlich engagierte Liedermacher berufen sich regelmäßig auf den Weberaufstand von 1844 und die Lieder der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung (ab 1850). Auf die Songs der Russischen Revolution ("Rotgardistenmarsch" etc.) oder die Kampflieder der KP-Agitproptrupps (ab 1920: Eisler, Dessau, Weinert etc.), auf die Lieder des Spanischen Bürgerkriegs (1936/39: Busch, Weinert, Fürnberg) sowie auf die in den KZs entstandenen antifaschistischen Lieder ("Moorsoldaten", "Dachaulied") beziehen sich nur die kommunistischen Liedermacher/innen. Bedeutsam für die Entwicklungsrichtung des politischen Liedes in DDR und BRD waren, obgleich auf verwickelte Weise, die vielfältigen Einflüsse der US-amerikanische Jugend- und Bürgerrechtsbewegung (Hootenanny-Picnics, Beatniks, Anti-Atomversuchs-Bewegung, Marsch auf Washington 1963, SDS, SNCC, Free Speech Movement 1964, frühe Anti-Vietnamkriegs-Bewegung, Draft-Resistance). In den späten 60er- sowie den 70er Jahren wurden auch Lieder verschiedener antikolonialer (Vietnam, Mosambique etc) und antifaschistischer (Spanien, Griechenland, Chile) Bewegungen aufgegriffen. Eigene politische Lieder brachten die AKW-Bewegung und die westdeutsche Frauenbewegung der 70er und 80er Jahre hervor. Die Singebewegung in der DDR wäre in diesem Zusammenhang als eigenständiges Thema zu behandeln (vgl. dazu "junge Welt" vom 17./18.2.96 über den Einfluß der amerikanischen Hootenannies auf den Oktoberclub). Das Arbeiterbewegungslied existiert in Deutschland seit etwa 1850. Meist handelt es sich dabei um musikalisch varierte und durch neue Texte veränderte "Volkslieder", Soldatenlieder, Märsche, religiöse Lieder und Schlager. Es gibt nur wenige Originalkompositionen. Die besten darunter steuerten Berufskomponisten wie Eisler bei. Erwähnenswert sind die rezitativen Vorträge von Erich Weinert (etwa "Der rote Feuerwehrmann"), dichterisch interpretierte Kampfaufrufe (etwa Karl Liebknechts "Trotz alledem", vorgetragen vom Schauspieler Erwin Piscator) und die von Ernst Toller, Kurt Eisner wie auch von Brecht/Weil entwickelten Sprechchöre der Arbeiterbewegung (vorgetragen von Agitprop-Trupps wie die "Roten Raketen" oder "Das Rote Sprachrohr"), die heute wie eine vorweggenommene Kollektiv-Variante von Rap wirken. Der Protestsong ist eine zwar traditionsschwer wirkende, aber dennoch relativ junge Liedgattung. Zwar wurde auch schon in früheren Zeiten (z.B. "The Cutty Wren", 1381 in England; "Ich bin der arme Cunrad", 1525 in Deutschland; "Free and Fair Elections", 1795 in Amerika) und in anderen Weltgegenden (in Kaiso/Calypso, Rumba, Mambo, Cumbia, Salsa etc.) politischer Protest auch im Lied ausgedrückt, aber der Protestsong des 20. Jahrhunderts ist ein eigenständiges Phänomen, das seine Vorläufer in den gewerkschaftlich gebundenen Folksängern in den USA der 30er und 40er Jahre hat. Es war der Dichter, Chronist und Balladenschreiber Woody Guthrie (1912-1967), der, da er selbst etliche Jahre als Wander- und Saisonarbeiter unterwegs war, seit 1930 über tausend Lieder schrieb, die vom Unterwegs-Sein, von gewerkschaftlichen Arbeitskämpfen und von besseren (sozialistischen) Verhältnissen handelten. Guthrie beeinflußte alle nachfolgenden Folksänger, insbesondere Pete Seeger (geb. 1919) und Bob Dylan (geb. 1941) sowie etliche Künstler in anderen Ländern (Ewan MacColl, Donovan, Billy Bragg, Leonard Cohen etc.). Auch etliche Chanson- und Protestsänger/innen im deutschen Sprachraum berufen sich auf den frühen Hillbilly-Folk, was erstaunlicherweise sogar für die meisten Teilnehmer der Burg Waldeck-Festivals (1964-68) gilt: Degenhardt, Süverkrüpp, Moßmann, Hüsch, Wader, Schwendter u.a. Auf der Waldeck wollten damals Veranstalter, die aus der "Tradition" der Bündischen Jugend kommen und aus deren Aufgehen in der Hitlerjugend den unglaublichen Schluß zogen, es ginge nun um die Bewahrung einer angeblich "fortschrittlichen" Abteilung der deutschsprachigen "Liedkultur" (die Jugend hörte damals Elvis!), ein "deutsches Newport" etablieren. Zum Glück gerieten sie bald unter den Druck einer antiautoritären und zunehmend sozialistisch orientierten Bewegung. Das eingeforderte "engagierte Lied" blieb zwar deutschsprachig und meistens nur der "Verwirklichung der Demokratie" verpflichtet, aber aus einer Neuauflage der Bündischen Jugend ist dann doch nichts geworden. Real war der US-amerikanische Einfluß auf die westdeutschen Liedermacher/innen nicht allzu groß; die meisten verweisen auf andere Einflüsse, etwa auf Gregorianische Gesänge, französische Chansons oder Lieder der Arbeiterbewegung. Waldeck war, vor allem von Seiten der Organisatoren, der Versuch, nach dem Vorbild der US-Folkszene eine eigene (sprich: nationale) Folk-Landschaft zu etablieren. Verwirklicht wurde das dann in den 70er Jahren von ganz anderen Leuten, von Gruppen wie Parzifal, Zupfgeigenhansel, Falckenstein, Moin, Fiedel Michel, Elster Silberflug, Lilienthal oder Liederjahn, mit denen man Degenhardt, Hüsch oder Schwendter nicht vergleichen möchte. Liedermacher/innen (Singer-Songwriter) sind Leute, die auch im Zeitalter der elektronischen Popmusik einfache, zeitbezogene Lieder zur Gitarrenbegleitung vortragen. Dagegen ist nichts zu sagen, aber sie müssen, ob sie das wollen oder nicht, damit rechnen, Leute anzusprechen, die Elektrogitarren und Musikcomputer für Teufelszeug halten und sich nach der deutschen Jugendbewegung zurücksehnen, wo man mit Klampfe oder Zupfgeige durch die Wälder wanderte: "Die Klampfe klirrt im Schritt und Tritt/die Kochgeschirre klirren mit/Der Wald ist voll Akustik/Wir sind so schrecklich lustig" (Weinert "Gesang der Latscher"). Liedermacher wollen keine Spezialisten sein, sondern vor allem ihre aktuellen Inhalte "rüberbringen". Liedermacher brauchen nicht unbedingt elektrischen Strom, sie müssen selten Begleitmusiker bezahlen und sich mit ihnen daher auch nicht absprechen. Texte und Musik schreiben sie selbst; ihre Fixkosten sind gering. Liedermacher sind demnach ökonomisch und künstlerisch weitgehend unabhängig. Sie stellen sich einfach hin und erzählen ihre Geschichten. Die Tradition, in der das geschieht, kann aber ganz unterschiedlich sein. Manche verstehen sich als Vorstadtkneipenbarden (Vorbild: die Chansons von Brassens), andere wollen im Anschluß an Sartre engagierte Literatur machen, wieder andere sprechen von schnellen Flugblattliedern und erinnern daran, daß sogar Godard "Flugblattfilme" gemacht hat. Einen sarkastischen Überblick bietet Hans Dieter Hüschs Song "Liedermacher" (LP "Nachtvorstellung", 1975). Folk (30er bis 50er Jahre) Auch Folk hat, obgleich einige seiner linkspopulistischen Protagonisten von einer "Wiederbelebung der Volkskunst" sprechen, weder mit "Folklore" noch mit "Volksmusik" zu tun und zunächst auch nicht mit Gospel oder Blues. Was Folk ist, stand bereits 1882 fest, als der Gelehrte Francis Child den ersten Band seiner Sammlung "The English and Scottish Popular Ballads" veröffentlichte. Nachdem einige Jahre später die der Herderschen Ideologie mehr oder weniger verbundenen Volksliedforscher Cecil Sharp und John A. Lomax ähnliche "Standardwerke" für die USA vorgelegt hatten, war die Sache schon kanonisiert. Die Folk-Musik, wie wir sie heute kennen, ist zunächst von den aktualisierten Adaptionen und Neukompositionen des oben erwähnten Kommunisten Woody Guthrie geprägt, der schon in den 30er Jahren an dem Folk-Begriff von Lomax anknüpfte. Bei Guthries Musik handelt es sich entweder um einfache erzählend-balladenhafte und nur von einer akustischen Gitarre begleitete Sololieder, oder um Variationen von Hillbilly, Bluegrass und frühem Skiffle, was bedeutet, daß dann auch Instrumente wie Banjo, Mundharmonika, Mandoline, Akkordeon, Geige, Kamm, Waschbrett und Kontrabaß zum Einsatz kommen. Eine der frühesten Folk-Gruppen, die ihrem Selbstverständnis nach eine "authentische Volkskunst" bewahrten und entwickelten, waren die 1941 von Pete Seeger (ebenfalls Kommunist) gegründeten Almanac Singers, eine linksgewerkschaftlich engagierte Agitprop-Gruppe. Die Band reiste mit einem alten Buick quer durch die USA und verdiente sich ihr Spritgeld durch Auftritte bei Streiks und Versammlungen. "Which Side Are You On" ist das Lied, mit dem sie am häufigsten assoziiert werden. Ende 1941 gründete die Gruppe in Greenwich Village das "Almanac House", in dem sie Zusammenkünfte organisierte, die sie als Hootenannies (unübersetzbar!) bezeichneten. Kurz bevor die Bandmitglieder zum Militär einberufen wurden, schrieben sie noch den Song "Round And Round Hitler's Grave". Nach dem Krieg machte Seeger mit der sechsköpfigen Band The Weavers weiter. Sie wurde in den 50er Jahren die erste große Folk-Gruppe von landesweiter und internationaler Bedeutung. 1950 wurde sie von der Decca unter Vertrag genommen und spielte mit "Good Night Irene" den ersten Folk-Hit ein, der sich zwei Millionen mal verkaufte, was die McCarthy-Behörden allerdings nicht daran hinderte, sie auf die Schwarze Liste zu setzen und Fernsehauftritte zu unterbinden. Der Erfolg von "Good Night Irene" ist auch deshalb erwähnenswert, weil er für die Verbindung von Folk und Blues steht, obwohl es sich bei dem Titel eher um eine Walzerkomposition handelt. Geschrieben hatte ihn nämlich Huddie Ledbetter aka Leadbelly (1885-1949) und damit einer der frühesten Bluesmusiker überhaupt. Aber Leadbelly, als Kind ehemaliger Sklaven geboren, läßt sich nicht unter einen kanonisierten Bluesbegriff subsummieren. Er beherrschte sämtliche damals populären Musikstile, vom Blues über Spirituals und Cajun-Musik bis hin zu Cowboy-Songs. Woody Guthrie und Pete Seeger, die zu seinen größten Verehrern zählten und ihn als bedeutensten Folk-Musiker bezeichneten, nahmen nach seinem Tod viele seiner Songs in ihr Repertoire auf. Folk-Revival (1960-65) Unter dem Druck der staatlichen Kommunistenjagd wurde es um diese erste Folk-Welle zunächst wieder stiller. Der politische Folksong verschwand in den 50er Jahren sogar zeitweise und es gab damals das Schlagwort von der "silent generation". Erst gegen Ende der Hochzeit des Rock'n'Roll und nach dem Tod von McCarthy wurde die Szene wieder aktiver. Das neue Folksong-Revival, an der auch Musiker wie Pete Seeger wieder beteiligt waren, beginnt mit der Bürgerrechtsbewegung und den Kampagnen der Atomwaffengegner um 1960. Der wirkliche Durchbruch wurde da aber nur vorbereitet. Er blieb jüngeren Künstlern vorbehalten, die nicht mehr durch eine feste Bindung an eine bestimmte politische Bewegung geprägt waren. Die frühen Lieder waren oft gesellschaftlichen Gruppierungen verpfichtet, deren Bestrebungen meistens in einer falschen Partikularität (nicht zuletzt gegenüber der Bürgerrechtsbewegung) stecken blieben. Ihre Reichweite war dadurch limitiert. Die neuen Folksänger/innen waren hingegen von den Beatniks (Jack Kerouac, Allen Ginsberg etc.) beeinflußt; ihr Ansatz war individualistischer und deshalb leichter zu verallgemeinern. Sie marschierten mit bei den Demonstrationen und polemisierten gegen die Kommunistenhatz (etwa Bob Dylan, der am Marsch auf Washington teilnahm und sich mit seinem "Talkin'John Birch Paranoid Blues" über Antikommunisten lustig machte). Ihre größte Wirkung hatten sie aber dadurch, daß sie aus der Ich-Perspektive sprachen und aus dieser Perspektive über politische Ereignisse und persönliche Empfindungen gleichermaßen sprechen konnten. Die Zustimmung des Publikums galt nun mehr der Künstlerpersönlichkeit als einem politischen Programm. Vor 1960 war Folkmusik für die Plattenindustrie nur begrenzt interessant. Das änderte sich zunächst durch Gruppen wie Peter, Paul und Mary oder das Kingston Trio, deren hehrer Demokratismus reichlich smart daherkam, die aber gerade dadurch Leuten mit einem etwas "militanteren" Image, wie etwa Phil Ochs, Bob Dylan, Buffie Sainte-Marie, Country Joe McDonalds, Joan Baez, Tom Paxton oder Bands wie The Fugs, den Zutritt erleichterten. Phil Ochs, der als 'Galionsfigur' der Antikriegs-Bewegung galt, schrieb damals den "Draft-Dodger-Rag" (Rag über das Sich-Drücken vom Truppendienst), der auch im westdeutschen SDS sehr beliebt war. Er verstand es hervorragend, seinen literarisch-journalistischen Ansatz über rezitative Songs zu vermitteln und wurde dementsprechend von den Medien als 'Störenfried' behandelt. Wie Sonny Ochs, die Schwester von Phil jedoch später anmerkte, gingen die meisten Greenwich Village Folk-Poeten, mit der Ausnahme von Country Joe, dessen kommunistische Eltern von McCarthy in den Ruin getrieben wurden, über einen linksliberalen "rebellischen Patriotismus" nicht hinaus. Folk Rock (ab 1965) Obwohl Folk auch schon beim frühen Woody Guthrie eine Stylisierung war - die Inszenierung eines scheinbar "authentischen Songs der kleinen Leute" - verfing sich die Musik dadurch, daß sie jetzt vorwiegend für Club, Konzertsaal, Platte und Radio produziert wurde, in dem Widerspruch, einerseits an die Form des "Flugblattliedes" gebunden zu sein und andererseits via TV vermarktet zu werden. Hinzu kam der Druck der aus England anrollenden Beat-Welle. Auf diese Situation regierte zuerst Bob Dylan, indem er - die Szene wurde schon oft geschildert - auf dem Newport Folk Festival von 1965 unter dem Protest der Folk-Puristen die akustische Gitarre gegen eine elektrische eintauschte. Diese heute als relativ nebensächlich erscheinende Neuerung, der Übergang zu einer anderen Art der Klangverbreitung, begründete damals die Fusion des im Folkkontext stehenden Protestsongs mit dem Rock. Möglicherweise bewahrte Dylan damit den Balladen-Folk, der in verschiedenen Singer/Songwriter-Varianten von Gordon Lightfood, Joni Mitchell, James Taylor, Judy Collins, Jackson Browne, Arlo Guthrie und Jim Croce fortgeführt wurde, um Mitte der 70er Jahre endgültig an Einfluß zu verlieren, vor dem Versinken im dem bornierten Provinzialismus, der dem Folk wegen der ihm eigenen konservativen Sehnsucht nach nationaler, regionaler und sonstwie partikularistischer Musik immer schon anhaftete. Daß die volkstümelnde Haltung auch im sogenannten Folkrock weiterleben konnte, zeigten Bands wie die Byrds (z.B. deren poppige "Folklore Version" von Dylans ohnehin sozialkitschigem "Mr. Tambourine Man") und die diversen nationalistischen und regionalistischen Folkrock-Gruppen in Europa (Incredible String Band/Schottland, Clannad/Irland, Alan Stivell/Bretagne, La Manivelle/Elsaß, Ougenweide/BRD, Schmetterlinge/Österreich etc.). Selbst Bruce Springsteen begann übrigens mit Anleihen bei Woody Guthrie. Sein erstes Album "Greetings From Asbury Park" (1973) wurde als Singer/Songwriter-Platte vermarktet. Doch letztlich tendierte die Musik von nun an zum Pop: Bands wie Jefferson Airplain oder The Grateful Dead, die im Zuge dieser Verbindung entstanden (beide 1965 in San Francisco), aber auch Buffalo Springfield (1967), Edgar Broughton Band (1968) oder Crosby, Stills, Nash & (Neil) Young (1969), wurden zu internationalen Pop-Gruppen. Nicht zu unterschätzen ist auch ein anderer Aspekt dieser Entwicklung zum Pop: Sie schuf ein größeres Wirkungsfeld für "schwarze" Musiker wie Jimi Hendrix (z.B. für sein folklastiges Album "Axis: Bold As Love"), Phill Lynott, Joan Armatrading, Tracey Chapman, Tasmin Archer und Lanny Kravitz sowie für Gruppen wie The Temptations (z.B. "Psychedellic Shack"), Sly & The Family Stone ("There's A Riot Goin'On") und Digable Planets ("Rebirth of Slick"). Was ist ein Protestsong? Der altbackene Titel dieser Serie wurde mit Bedacht gewählt. Wenn die Frage nach dem Sozialen in der Musik derart "traditionell" gestellt wird, darf man sicher sein, daß inzwischen auch etliche Linke gelangweilt abwinken werden. Und all die anderen erst: Ein derart altmodisches Problem können wohl nur Linke aufwerfen, die in einer längst untergegangenen Gedankenwelt leben. Kleiden wir die Frage allerdings in ein moderneres Gewand, sieht die Sache gleich ganz anders aus: Unter dem magischen Stichwort "Pop & Politik" würde die gleiche Fragestellung die Regeln des Wahrgenommen-Werdens vortrefflich bedienen und die Einschaltquote in die Höhe treiben. Kaum ein Slogan war in den letzten drei Jahren angesagter als "Pop & Politik". Nachdem HipHop in den achtziger Jahren das aus dem Pop verdrängte Soziale wieder zurückgebracht hatte und Popszenen damit ihre Schwierigkeiten hatten, nachdem das Auftauchen von Nazibands die gemütliche Story vom immer schon progressiven Rock'n'Roll ziemlich fragwürdig erscheinen lies, nachdem die "anspruchsvolle" Techno-Rezeption bemüht ist, elektronische Musik in die Nähe poststrukturalistischer Hipness zu rücken und nachdem die Tribalisierung der Youth Culture und die damit verbundenen kulturellen Patchwork-Ideologien vor dem Hintergrund weltweiter realer Kulturalisierungs- und Rassifizierungsprozesse einen affirmativen Beigeschmack bekommen haben, konnte das Thema "Pop & Politik" zum vielbeachteten Stichwort werden. Bands und Sound Systems, die bisher einfach ihre mehr oder weniger gute Musik machten, gerieten nach den rassistischen Pogromen und Anschlägen von Mannheim, Hoyerswerda, Rostock und Solingen ins Umfeld linker Antifa-Aktivitäten, wo sie meistens ihr Standardrepertoire spielten, in einzelnen Fällen aber auch mit kritischen Texten zur Situation reagierten. Bands und DJs spielten Geld für politische Aktionen ein, auf Kongreßen wurde über den Zusammenhang von Musik, Macht und Politik diskutiert und in linken Zeitschriften wie 17oC, ZAK, Links, Off Limits, Bahamas, Konkret, Beute etc. wurde plötzlich deutlich mehr über Pop geschrieben, wobei allerdings häufig nicht die Kritik an Pop & Politik im Mittelpunkt stand, sondern das Versprechen, mit Musik könne linke Politik besser unter die Leute gebracht werden. Einfach gestrickte Punk-Rocker verwandelten sich für etliche Linke, die schon lange nicht mehr auf dem Stand der Dinge waren, in eine "künstlerische Opposition". Altkulturlinke Subversionsthesen wurden wieder recyclet und die CDs von Bands, die als engagiert gelten, wurden nun als Abo-Prämie ausgelobt. Irgendwann hatte die Junge Garde in der 'Spiegel'-Redaktion von der Sache gehört und darauf hin ein Heft von 'Spiegel Spezial' mit dem Titel "Pop & Politik" auf den Markt geworfen. Zwei Trends machten sich während dieser Zeit zudem bemerkbar: Der Zusammenbruch der Indierock-Strukturen und damit eines zentralen Beweises für die These vom immerwährenden Kampf zwischen "Subkultur" und "Mainstream", sowie eine boomende "Deutschwerdung" des Pop in der BRD bei gleichzeitiger Herausbildung einer "türkischen Pop-Musik". Erstaunlich ist nach alledem, daß die Frage, was denn nun das Politische am Pop sein könne, niemals ernsthaft erörtert wurde. Bis heute hat sich kaum jemand dafür interessiert, woran linksorientierte oder antifaschistische Popmusik zu erkennen ist? Sind es die engagierten Reime oder sind es die Rhythmen, Tempi, Melodien, Klangfarben, Geräusche etc., oder ist es einfach die Haltung der Musiker? Sofern diese Fragen überhaupt erörtert wurden, wurde das Engagement, trotz der verbreiteten poststrukturalistischen Rhetorik, meistens ganz bieder in den Reimen gesucht. Mit anderen Worten: Man kam in den 90er Jahren unter dem Slogan "Pop & Politik" nicht weiter als man in den späten 70er Jahren unter dem Motto "Rock gegen Rechts" gekommen war. Eher im Gegenteil: Im Zusammenhang mit der Kampagne "Rock gegen Rechts", kam es in der damaligen Linken immerhin zu produktiven Debatten über den widersprüchlichen Zusammenhang von Rock und linker Politik. Marcuse, 1979 vom Frankfurter AStA zum Festival geladen, sagte mit der Begründung ab, Rock mit seinen Mythen und Stars, sei "protofaschistisch". Womit er heftige Kontroversen auslöste. Marcuse, der wohl einzige Theoretiker aus dem Umkreis der Kritischen Theorie mit relevanten Pop-Kenntnissen und zunächst selbst ein Propagandist der Folk-Rock-Subversion, nimmt hier die Gegenposition zu einer in den siebziger Jahren am britischen Centre for Centomporary Cultural Studies entwickelten Auffassung ein, wonach Popmusik als Bestandteil jugendsubkultureller Zusammenhänge tendenziell ein soziales Widerstandspotential besitzt. Diese beiden gegensätzlichen Positionen wurden in der weiteren Pop-Diskussion schließlich - unter Verweis auf Walter Benjamins "Kunstwerk im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit" - zu einer Art "Kulturkampf"-These verschmolzen: Danach ist Pop das Ergebnis des Konfliktes zwischen den kommerziellen Interessen der Kulturindustrie und den Dissidenz-Interessen "der Jugend". Industrie, Musiker und Publikum kämpften, so die These, um die Kontrolle über die Bedeutung der kulturellen Symbole. Einige Subkulturideologen sehen im Pop-Publikum gar semiotische Guerillakämpfer, die der Musik im Abwehrkampf gegen die Vereinahmungsabsichten der Kulturindustrie ihre eigene widerständige Bedeutung geben. Abgesehen davon, daß hier den Leuten ein konstanter Drang nach "Widerstand" unterstellt wird, wird auch unterstellt, daß Musik ein an sich neutrales Ding ist, das in den Dienst beliebiger "Interessen" gestellt werden kann. Obwohl jedoch Töne und Tonfolgen tatsächlich "an sich" weder links noch rechts sind, erklingen sie aber in einem diskursiv hergestellten kulturellen Raum und sind daher nicht vorab neutral. Reim oder Ton Die Frage, ob das, was an Musik als "politisch" wahrgenommen wird, in den Reimen oder den Tönen steckt, oder möglicherweise überhaupt nicht im musikalischen Material, beschäftigt Linke nicht erst seit heute. In der letzten Folge wurde in diesem Zusammenhang daran erinnert, daß auf diese Frage in den Debatten über Nazi-Rock eine erstaunlich simple Antwort gefunden wurde: Nicht nur Antifa-Linke, sondern auch die "repolitisierte Subkultur", die sonst gerne mit poststrukturalistischen Begriffen hantiert, vermutet seither, daß die Nazi-Positionen von Bands wie Störkraft vor allem in den "drastischen Aussagen ihrer Texte" zu suchen sind, und das über deren Musik, wenn überhaupt, nur zu sagen ist, daß sie nicht besonders toll, sondern eher "prollmäßig" ausfällt. Dieser Bewertung entspricht auf der "radikaldemokratischen" bis linksradikalen Seite eine zunehmende Textorientierung. Dabei mag der Einfluß des Rap eine Rolle gespielt haben, aber sicher nicht nur. Der Anspruch etlicher Bands, sich wieder deutlicher zu positionieren, führte auf jeden Fall dazu, daß die Songtexte immer länger wurden und gegenüber der Musik eine herausgehobene Stellung einnahmen, was von den Pop-Medien seither einhellig begrüßt wird. Mit dem Anspruch auf Verständlichkeit wurde schließlich auch begründet, daß die Songtexte der Rap- und Diskursrock-Gruppen von nun an möglichst deutschsprachig sein sollten. Und nicht wenige junge Musiker entdeckten plötzlich die Platten von Protestsängern und Liedermachern wie Degenhardt oder Hüsch, deren im Laufe vieler Jahre perfektionierten Reim- und Sprechtechniken seither als hochinteressant bewertet werden. Für die politische Linke war die Textverständlichkeit immer eine zentrale Forderung an die Musik. Sowohl der alten Arbeiterbewegung als auch den seit den sechziger Jahren aktiven Liedermachern ging bzw. geht es in erster Linie um "explizite" Aussagen. Dabei soll die Musik diesem Anspruch nicht im Weg stehen, weshalb z.B. Extremlagen der Stimmen, komplexe kontrapunktische Kompositionen, verzwickte Rhythmen, atonale Experimente oder große Lautstärken vermieden werden. Solche Vorgaben führen immer wieder dazu, daß linke Musiker/innen sich als Bewahrer/innen der Tradition der europäischen Vokalmusik verstehen. Tatsächlich galt in Europa die menschlichen Stimme bis ins 18. Jahrhundert als das einzige Medium, durch das das Innere nach außen dringen kann. Die Vorstellung, daß Musik Empfindungen, Positionen und reale Ereignisse ausdrücken kann, war innerhalb der europäischen Musikgeschichte zunächst an die Form des Liedes geknüpft. Zwar entwickelte sich auch die Instrumentalmusik, aber die war über Jahrhunderte streng funktional, zumal ihre Notation lange Zeit unzureichend war. Dadurch konnte in der Vokalmusik (Lieder, Chöre, Singspiele etc.) eine Sammlung von sprachähnlichen Wendungen entstehen, musikalische Figuren, die durch ihren Zusammenhang mit bestimmten Worten eines Liedtextes einen gesellschaftlich gültigen Sinn ergaben. Die Instrumentalmusik hingegen ahmte lange Zeit nur die Singstimmen nach. Als sie sich davon schließlich loslöste und sozusagen abstrakt wurde, indem sie den metrischen Schemata und Eigenschaften des Tonsatzes nachspürte, wurde sie notwendig zur Kunst für Kenner, zur "Hochkultur". Für Musiker/innen, die "linke Musik" machen wollen, liegt hier eine Falle bereit, wenn sie diesen Gegensatz von ("populärer") vokaler und ("hochkultureller") instrumentaler Musik nicht als sozial relevanten Diskurs erkennen. Denn die bei ihnen vorherrschende Wahrnehmung instrumentaler Musik als "bürgerlich-tendenzlos" und daher für agitatorische Zwecke untauglich, hat durchaus ästhetische Konsequenzen. Während man Kampf- und Marschlieder, Chöre (vor allem Männerchöre!), Lehr- und Agitationsstücke (Wechsel von solistischem Vortrag und solidarisierender Einstimmung der Belehrten), später auch Chansons und US-amerikanische Folkssongs einübte, wurde die instrumentale Musik vernachlässigt und auf eine begleitende Funktion reduziert. Adorno hat bereits 1929 in einer Auseinandersetzung mit Eisler diese Problematik bemerkt: "Es besteht die Gefahr, daß um der Verständlichkeit willen, die Mittel nicht auf den vollen Stand der musikalischen Aktualität gebracht, sondern auf eine Stufe reduziert werden, die die Entwicklung bereits hinter sich ließ, was auch an den Liedern nicht vorbeigeht. Es könnte also hier die politisch revolutionäre Gesinnung eine ästhetisch reaktionäre nach sich ziehen..." (Anbruch XI, S.211). Eisler, der immerhin ein Schüler Arnold Schönbergs war und selbst auch reine Instrumentalmusik komponierte, hat dieses Problem übrigens klar erkannt. Er sprach im Zusammenhang von seiner und von Brechts Arbeit als einer "ungeheueren Zurücknahme", die er aber für notwendig hielt, weil es sein Anspruch war, den "Musikanalphabetismus" der Arbeiter schrittweise zu bekämpfen. Abstrakte Musik, ob nun Atonalität oder die gegen Beethovens Phatos gerichtete Strömung der "neuen Sachlichkeit", wollte er ihnen vorerst nicht zumuten, aber dabei durfte es seiner Meinung nach nicht bleiben. Eisler fand die biederen Arbeitergesangsvereine, die mit Soldatenlieder keine Probleme hatten, wenn nur die Gesinnung halbwegs stimmte, unerträglich, und war bemüht, sie mit 4/2-Kompositionen und Jazz-Zitaten aus dem Takt zu bringen. Populäre Sounds als zugkräftiges Medium linker Propaganda Letzten Mittwoch, am 1.Mai, waren sie hier und da wieder zu hören, die Protestsongs: "Brüder, zur Sonne, zur Freiheit", gespielt von der Kapelle der Deutschen Polizeigewerkschaft, oder aber der "Bündnis-für-Arbeit-Rap", in die Lautsprecher eingespeist von einer CD, die im Auftrag des IG Metall-Vorstandes als zeitgemäßes Liedgut der jungdeutschen Arbeitsfront/AO konzipiert wurde. Wie ist es möglich, daß Arbeiterlieder und Rap zu dieser Sorte "Protest" taugen? Handelt es sich hier um die Vereinnahmung progressiver Ausdrucksformen für reaktionäre Zwecke? Das würde immerhin bedeuten, daß Melodien, Rhythmen und Songstrukturen neutrale Behälter sind, die sich beliebig füllen lassen. Was wiederum bedeuten würde, daß wenig gewonnen ist, wenn, wie kürzlich während einer Demonstration in Wien, DJs die allerneusten Techno-, House- und Elektro-Scheiben abspielen. (Als großartige Demo-Musik liese sich zum Beispiel das neue Egoexpress-Album "foxy" rezipieren, das in zwei Wochen auf Ladomat 2000 erscheinen wird. Über solche Alternativen wird noch zu reden sein, was aber nur Sinn macht, wenn fragwürdig gewordenen Varianten des musikalischen Protests nicht stillschweigend gegen Musikstile ausgetauscht werden, deren Image als weniger verbraucht gilt.) Linke, so wurde in der letzten Folge argumentiert, beurteilen musikalische Werke bevorzugt nach den Songtexten und ihrer Verständlichkeit. Der Musik und selbst dem Vortragsstil wird eher eine untergeordnete Funktion eingeräumt. Während man die gesprochenen oder gesungenen Liedtexte dem Bereich der bewußten intellektuellen Ansprache (Aufklärung!) zuordnet, überläßt man die Musik, die als bloße Verpackung oder Vehikel verstanden wird, gerne dem Unbewußten. Frühe Belege für diese Einstellung finden sich in den historischen Arbeiterliedern, um deren (unkritische) Rekonstruktion seit 1970 verschiedene linke Strömungen bemüht waren (während es vorher, etwa bei den frühen Ostermärschen, daran kaum ein Interesse gab). Allzu viele Gedanken hatte die linke Arbeiterbewegung sich schon beim Texten nicht gemacht. So wurde z.B. aus Luthers "Ein feste Burg ist unser Gott" das Parteilied: "Ein feste Burg ist unser Bund" und aus dem wilhelminischen Soldatenlied "Dem Kaiser Wilhelm haben wir's geschworen, dem Kaiser Wilhelm reichen wir die Hand" wurde das proletarische Kampflied: "Dem Karl Liebknecht haben wir's geschworen, der Rosa Luxemburg reichen wir die Hand". Noch pragmatischer war jedoch die Einstellung zum musikalischen Arrangement. Das hehre Pathos kerniger Männerchöre wurde unverändert von den "traditionellen" Vorlagen übernommen. Bevor Komponisten wie Hanns Eisler, Paul Dessau, Kurt Weil oder Franz Grothe sich der Sache annahmen, hatte man an den nationalistischen, patriarchalischen und autoritären Konnotationen der übernommenen Lieder nichts auszusetzen. Daß "Brüder, zu Sonne, zur Freiheit" später ohne Text- und Melodieänderung (lediglich mit einer Zusatzstrophe) in das Liederbuch der 'Hitlerjugend' eingehen konnte, erinnert daran, daß bestimmten musikalischen Mustern ein relativ stabiler, gesellschaftlich gültiger Sinn eingeschrieben ist, der nicht beliebig "umcodiert" werden kann. In anderen Weltgegenden, etwa in New Orleans oder in der Karibik, mag z.B. der Marsch-Takt eine andere symbolische Bedeutung haben, aber in Deutschland kann er von seinem reaktionären Hintergrund nicht einfach abgelöst werden. An der Vorstellung, vorhandene Musik könne einfach vor den eigenen Karren gespannt werden, hat sich bis heute nicht viel geändert. In den Siebziger- und Achtziger Jahren bedienten sich deutschsprachige Polit-Folkloristen (z.B. Liederjahn), Liedermacher (z.B. Hannes Wader, der in diesen Tagen eine LP mit Songs eines Kollegen aus der Rokoko-Zeit veröffentlichte), Rockkabarettisten (Floh de Cologne) und Politrockbands (Bots, BAP etc.), ganz selbstverständlich bei Melodien, die zum Mitklatschen, zur sentimentalen Ergriffenheit oder zu rockistisch codierten Wutinszenierungen (wildes Kopfschütteln zum Gitarrensolo etc.) einladen sollten. Anleihen bei deutschen "Volksweisen" (die z.B. auf der Floh de Cologne-LP "Vietnam" die Hälfte der Songs ausmachen), Chorgesängen, deutschen Schlagern, Skiffle, Bluesrock, Rockjazz und miesem Deutschrock, wurden mit der Berechnung unternommen, über die "eingängigen" Melodien & Rhythmen die Identifikation mit den linken Positionen herstellen zu können. Dieses affirmative Einverständnis mit allen tonalen Konventionen schlug sich natürlich auch in den Songtexten nieder. Ein besonders krasses Beispiel waren seinerzeit die Bots. Zu einer Zeit, als The Clash ein Loblied auf "The Guns of Brixton" sangen, schunkelten Maoisten, die gerade auf dem Weg zu den Grünen waren und DKP'ler, die sich dazu nicht extra ändern mußten, zur Bots-Folklore und sangen gemeinsam: "Alle, die zu ihrer Freiheit auch die Freiheit des Nachbarn brauchen, sollen aufstehen." Wallraff und Biermann hatten der holländischen Band die Texte übersetzt ("Was wollen wir trinken?" übernahm man vom Oktoberclub-Texter Gerd Kern), und von 'Konkret' (11/81) bis zur 'Kommunistischen Volkszeitung' des KBW (23.3.81) waren alle gleichermaßen begeistert. Wer damals dem Trend zur öko- und friedensbewegten Heimattümelei widerstand, rettete sich mit Punk-, Reggae- und Rap-Platten sowie dem Marx'schen "Kapital" in popkulturelle Nischen und Theoriegruppen, um dort auf bessere Zeiten zu warten. In diesen Jahren entwickelte sich auch erstmals wieder eine gegenseitige Sympathie zwischen Linksradikalen und kleinen Pop-Szenen (um die Musikzeitschrift "Sounds"), die damals gegen den konservativen Rockjournalismus, wie auch gegen Markus ("Ich will Spaß") und Hubert Kah ("Sternenhimmel") opponierten, deren Kritik aber, wie sich später zeigen sollte, auf das Ästhetische beschränkt blieb, sodaß auch sie politisch über grünalternativ-radikaldemokratische Positionen nie hinauskamen. Die Tiefpunkte linker Musikpraxis und -Rezeption (wozu m.E. unbedingt das "Friedens"-Album der Krefelder Appell-Initiative, die LP "Hannes Wader singt Arbeiterlieder", Wiglaf Drostes "Mach den Kopf zu" sowie die Funny van Dannen/Udo Lindenberg-Camp-Connection zu zählen wären), müssen sicher nicht komplett aufgelistet werden, um zu belegen, daß Linke musikalisch selten sonderlich ambitioniert sind. Ob man nun den Pop-Mythos von Revolte ausnutzen wollte oder für den Brokdorf-Kanon "Wehrt euch, leistet Widerstand, gegen das Atomkraftwerk im Land" auf das das Landleben verklärende "Hejo spann den Wagen an" zurückgriff - die Musik gilt jedesmal nur als Verpackung. Biedersinn und Warenlogik dringen auf diese Weise immmer wieder in die musikalische Struktur von Protestsongs und linkskabarettistischer Kleinkunst ein. Wie in den Werbesendungen dient die Musik in diesen Fällen als sterotyper Auslöser regressiver Stimmungen, etwa von Sentimentalität, die dann "Solidarität" genannt wird: "Keiner kämpft allein! Haltet die Fäuste bereit! The time is right for fighting in the streets. Macht kaputt was euch kaputt macht! Dem Morgenrot entgegen. Es geht voran! El pueblo unido..." Da die Einheit (gegen die "Monopole", "Bosse", "Banker" etc.) nur beschworen wird, wo es darauf ankäme, die Uneinigkeit zu verstehen, soll wenigstens die Musik etwas Nähe zu den "Massen" beweisen. Aber immerhin ging auf diesem Weg die heilige Aura verloren, der pietätvolle und denkmalspflegerische Blick auf die Vergangenheit, die phantasmatische Flucht in die Erinnerung an eine glorifizierte und begradigte Vergangenheit, die Fähigkeit zur Beschwörung von "Utopien" und die platte Identifikation. Arbeiterbewegungs- und Protestlieder gibt's heute 'digitally remastered' auf CD. Das ist seltsam und doch der Wahrheit näher als es linke Studenten sein konnten, die in den Siebziger Jahren "Proletarier ihr müßt rüsten" sangen. Oder als DDR-Platten, auf denen das Rundfunk-Blasorchester Leipzig 'Bandierra Rossa' spielt. Linke Veranstaltungen, die ein größeres Publikum anziehen sollen, funktionieren immer noch nach dem Muster des UZ-Pressefestes oder der Logik der "Rock gegen Rechts"-Festivals: Populäre Sounds und Grooves, mit denen man sonst nicht unbedingt vertraut ist (Anarchist Academy für die junge Welt, Blumfeld für die Beute etc.), werden als politische Propagandamedien eingesetzt, um möglichst viele Leute zu erreichen. Die Musik wird als bloßes Mittel instrumentalisiert, denn man will die Phantasien nur anders kanalisieren als die Kulturindustrie. Diese Funktionalisierung beruht übrigens auf Gegenseitigkeit: Wo Linke ein zugkräftiges Medium suchen und den Propagandaeffekt der Popmusik nutzen wollen, suchen Pop-Musiker häufig durch den Auftritt auf linken Veranstaltungen ein antikommerzielles und rebellisches Image aufzubauen. Nachdem einige Bands der sogenannten Hamburger Schule inzwischen auch für Levis und MTV spielen, stehen die neuen Polit-Pop-Rebellen schon bereit. Wichtige Anwärter sind diesmal Atari Teenage Riot und andere Acts vom Digital Hardcore-Label. Dort wird in diesen Tagen die recht ungewöhnliche Protestplatte von EC8OR erscheinen. Sie heißt "Spex is a fat bitch" und geißelt den "Verrat" des bieder gewordenen Szeneblattes, das immer häufiger mit MTV kooperriert, obwohl doch die Dead Kennedys gesungen haben: "MTV Get Out Off The Air". Protestsongs ohne Text Als Jimi Hendrix die US-amerikanische Nationalhymne "The Star Spangled Banner" mit seiner Gitarre zerfetzte, hatte er offensichtlich allein mit musikalischen Ausdrucksmitteln eine politische Aussage gemacht. Hendrix kam damals ohne ein verbales Bekenntnis aus, und alle hatten ihn trotzdem verstanden. Seither gilt es im Pop als selbstverständlich, daß nicht nur Songtexte, sondern auch Beats, Geräusche, Grooves, Tempi, Klangfarben, ungewöhnliche Spielweisen und schließlich die "Haltung" der Beteiligten" als "rebellische Positionen" wahrgenommen werden können. Im Punk spielte eine naturalistische Vorstellung von "Energie" diese Rolle (die wenigen und bewußt nur parolenhaften Worte drangen selten durch den Lärm richtig durch). Im "politischen" Freejazz gehen die expressiven Qualitäten von der Stimme auf Gitarre, Elektrobass, Trompete etc. über, die ausgesprochen "stimmlich" gespielt werden. In den Elektro-Pop-Stilen und den Techno-Varianten entfällt die persönliche Spielweise, die die Gitarrenmusik prägt, fast vollständig, weil Computerkeyboards für die persönlichen Gefühle von Musikern wenig Raum lassen. Genau in dieser "Künstlichkeit" bestand übrigens von Anfang an das antirockistische Anliegen von Elektropop. Schon Eisler verlangt von Chorgsängerinnen, daß sie mit dem typischem "schönen Gesang" der Gesangsvereine radikal brechen, sich z.B. nicht in die Musi einfühlen wie bei einem Liebeslied, und stattdessen bewußt rhythmisch und ausdruckslos singen. Heute kommt insbesondere bei den aktuellen Dancefloorstilen Sprache, abgesehen von einigen Slogans, Schreien etc. kaum noch vor. Und ein selbst ein solches Schweigen galt in der Geschichte der Kunst gelegentlich als radikale Position, etwa dann, wenn das endlose Talk-Show-Gerede nur noch reaktionär ist. Auch die Geschichte des linken Protestliedes zeigt, daß sich eigenständige musikalische Formen erst relativ spät herausbildeten. "Linke Musik" existierte zunächst nur als pragmatische Abwandlungen von meist reaktionären Vorlagen, und angesichts einer Textfixierung wurde die kompositorische Seite völlig vernachlässigt. Das änderte sich vor allem durch den Einfluß von Brecht und Eisler. Ihre Arbeitsweise wird in allen ihren gemeinsamen Stücken deutlich, etwa beim (erst in den vierziger Jahren entstandenen) "Kälbermarsch": Wo Brecht den Refrain des Horst-Wessel Liedes ("Die Fahne hoch, die Reihen fest geschlossen...") parodiert ("Der Metzger ruft, die Augen fest geschlossen..."), greift Eisler dies in seiner Kompostion auf. An die Stelle der Militärmusik des Naziliedes rückt er jazzige Töne, was für die Anhänger dieses Liedes, die im "Niggerjazz" eine Ausgeburt des "unvölkischen Wesens" sahen, eine ausgesprochene Provokation darstellte. Der rhythmische Zuschnitt der Melodie wird auf die Hälfte des Marschschrittes verkürzt und in ein leichtfüßiges, chansonähnliches Ideom transformiert. Am Ende ist die Musik unpathetisch und damit polemisch gegen das Wessel-Lied gerichtet. Dieses - damals sehr ernste - Spiel mit festen Bedeutungen, welche bestimmten Tonfolgen und musikalischen Themen anhaften, beruhte bei Eisler noch auf der Vorstellung, eine parteiliche Musik sei nicht nur notwendig, sondern auch prinzipiell möglich. Seine Suche nach neuen Formen in der Musik war als Einwand gegen die "angebliche Tendenzlosigkeit der Musik" gerichtet, an die Bürgerliche und Linke gleichermaßen glaubten. Doch Eislers Hoffnungen waren, wie sich heute zeigt, an eine wohl unwiederholbare gesellschaftliche Konstellation gebunden. Mit dem Verschwinden ihrer Bezugsgruppe mußte diese Form kritischer Musik notwendig ebenfalls vergehen. Eisler, der Schönberg lange Zeit nur als "Formenrevolutionär" anerkannte, stellte die Möglichkeit einer politisch revolutionären Musik später mehrfach selbst in Frage. Sieht man einmal von Songtexten ab, die eine revolutionäre Gesinnung zum Ausdruck bringen wollen, bleibt tatsächlich die Frage, was an Musik revolutionär sein kann? Im Grunde ist jeder Definitionsversuch an die Vorstellung von einem linearen Fortschritt gebunden. Nur wenn unterstellt wird, daß Musik sich historisch aufsteigend von einfachen zu immer komplexeren Formen entwickelt, macht der Begriff "revolutionäre Musik" Sinn. "Revolutionär" wäre dann z.B. die Musik der Zweiten Wiener Schule (Schönberg, Werbern etc.), etwa weil sie die bis dahin gültige Tonalität durch die reihengebundene Atonalität ersetzt hat, während Rock & Pop, - mit der Ausnahme vieleicht des Drum & Bass-Sounds des Jungle, der immerhin das konventionelle "4 to the floor"-Diktat des Dancefloors unterwandert - musikalisch eher als "konservativ" eingeschätzt werden müßten, weil dort immer noch der biedere Dur- oder Moll-Dreiklang dominiert. Insbesondere Rockmusik bleibt in ihrer ästhetischen Grundhaltung, trotz dem Anspruch auf "Progressivität", in ihren Glauben an die Einmaligkeit einer "Tondichtung" und ihrer romantischen Vorstellung von der Suggestivkraft der Musik, dem frühen 19.Jahrhundert verhaftet. Antideutsche Musik Auf dem zweiten Album des Sogenannten Linksradikalen Blasorchesters gibt es ein Stück mit dem Titel "Baderkatalog", das die herkömmliche Liedform sprengt, obwohl es einen Text hat. Als Textvorlage dient in diesem Fall eine Anzeige der Pforzheimer Firma Bader, die 1979 in der "Frankfurter Rundschau" geschaltet war. Die Werbung für einen Jubiläumskatalog enthält zunächst längere Ausführungen über die 50jährige Firmengeschichte. Danach werden die Kundinnen direkt angesprochen: "Seitdem erfüllt BADER Jahr für Jahr die schönsten Modewünsche der Damenwelt. BADER bringt alles, was sich unsere Frauen von heute in Sachen Mode in den Kopf gesetzt haben." Das Sogenannte Linksradikale Blasorchester (mit Heiner Goebbels) setzte diesen der alltäglichen Kommerz-Realität entnommenen Anzeigentext mit "avantgardistischen" musikalischen Mitteln (kontrapunktische Musik, asymetrische Takte, Collagentechnik etc.) so gekonnt um, daß sich ein gesonderter Kommentar erübrigte. Heiner Goebbels, der bevor er später musikalischer Leiter des Schauspiels Frankfurt a.M. wurde, mit Alfred Harth u.a. die Platten "Vier Fäuste für Hanns Eisler" und "Der durchdrungene Mensch" aufnahm, gehört zu jenen linken Musikern, für die den Rückgriff auf die im Rock übliche "trivial-traditionelle" (Adorno über die Beatles) Tonalität, Harmonik und Metrik nicht mehr akzeptierten. Eine Position, die inzwischen von sogenannter postmoderner (d.h. post-serieller) Musik, die auch Dreiklang-Zitate nicht mehr scheut, weil sie mit der Idee der lienaren Höherentwicklung gebrochen hat, relativiert wurde. Wie schon für Eisler liegt für Goebbels eine linke, musikalische Entwicklung im evolutionären oder auch revolutionären Fortschreiten. Das führte ihn, da er andere äußere Umstände vorfand als Eisler, notwendig zu einer "avantgardistisch-hochkulturellen" Orientierung. Wahrscheinlich zählt Goebbels jedoch nicht zu jenen "subversiven" Alt-Avantgardisten , die immer noch den Massengeschmack läutern wollen. Eher ist anzunehmen, daß er mit Adorno davon ausgeht, daß Konzessionen an die "gemütlichen Stimmungen" ebenso abzulehnen sind, wie erzieherische Ansprüche, die nur eine Nötigung von Menschen darstellen würden, deren Freuden angesichts ihrer Klassenwirklichkeit unvermeidlich fetischisiert und entfremdet bleiben müssen. Die kritische Funktion der (autonomen) "Neuen Musik" kann daher nur darin bestehen, dem Inhumanen standzuhalten und jeder falschen Positivität zu widerstehen. Für diesen Ansatz wäre also gerade die Abstraktion von den sozialen Zwängen wirkliche politisch engagierte Musik. Der Protest besteht aus dieser Sicht im Festhalten an der Autonomie der Kunst. Eine umstandlose Bezugnahme auf die "Massen", so wie sie sind oder vom System gemacht wurden, wäre Verrat. Wirklich revolutionäre Musik hat sich vor dem Massengeschmack nicht zu rechtfertigen. Die Vorstellung davon, was revolutionäre Musik ist, kann aber auch ganz anders entstehen. So geht zum Beispiel aus den zeitgenössischen Berichten über "Jazzmusik" (es war meistens Ragtime) am Anfang der zwanziger Jahre hervor, daß die damals aus den USA importierten neuen Rhythmen, Tänze und Instrumente (Schlagzeug und Saxophon) von Linken als Protestmusik rezipiert und von Rechten als Angriff auf die "nationale kulturelle Identität" wahrgenommen wurden. Hans Siemsen schrieb 1921 in der "Weltbühne": "Der deutsche Oberlehrer kann ihn nicht tanzen. Der preußische Offizier kann ihn nicht tanzen. Wären doch alle Minister, Professoren und Politiker verpflichtet, zuweilen öffentlich Jazz zu tanzen". Für den deutschnationalen Autor Hans Pfitzner hingegen war diese Musik Schund, der von Leuten konsumiert wurde, "die durch die Revolution hochgekommen sind". Er sprach vom "Vergnügungsrausch der Revolutionsdeutschen" und prägte schließlich den Begriff "antideutsche Musik": "Das Antideutsche, in welcher Form es auch auftritt, als Atonalität, Internationalität, Amerikanismus, Kulturbolschewismus, deutscher Pazifismus, bedroht unsere Existenz, unsere Kultur von allen Seiten und mit ihr die europäische" (Pfitzner "Die Ästhetik der musikalischen Impotenz", 1926). Während also die Vertreter avantgardistische oder ästhetizistischer Ansätze, sich als Partisanen des Kommenden fühlen, die davon ausgehen, daß der Kampf mit moralischen Parolen, aufgeklebt auf Partitaturen, Gedichten oder neuen Grooves nicht zu führen ist, nehmen sich die anderen einfach eine neue Musik und überhöhen sie zum "Jazz gegen Offiziere". Protestmusik ist dieser Import einfach deshalb, weil der politische Gegner sie haßt. Hier steht nicht das Originalitätspostulat (Roland Barthes: "Kunst muß neu sein, um authentisch, engagiert und nicht vereinnahmbar zu sein) im Mittelpunkt, sondern die Tatsache, daß die Hoch- und Deutschkulturverwalter dagegen sind. Aus dieser Perspektive kann jede Musik "fortschrittlich" sein, egal auf welchen Kompositionsprinzipien sie beruht. Es kommt hier nicht, wie etwa bei Adorno, darauf an, daß die HörerInnen erschüttert und erbaut den Konzertsaal verlassen, sondern, daß sie den Spaß haben, den ihnen die Gegner nicht gönnen wollen. Während Avantgardisten und Adorniten der Glaube an eine musikalische Material-Substanz, wie auch an eine sich in der Musik ausdrückende Subjektivität gemeinsam ist - man vermutet, daß die Wirkung der Musik im Wesen der Musik selbst begründet ist und daß Musik ein Medium ist, durch das das Subjekt sich ausdrückt - ergibt sich für die anderen das Politische der Musik durch den praktischen Umgang mit ihr. Hier ist die Musik nicht an sich reaktionär oder progressiv, sondern sie wird es erst durch den gesellschaftlichen Diskurs, durch politische Erklärungen, Bekenntnisse, Aktionen, Rezeptionsschlachten und Tanzveranstaltungen, zu denen ein bestimmtes Publikum kommt, während ein anderes fernbleibt. Kunst und Klasse In der letzten Folge wurde die Position von Heiner Goebbels und Adorno (Autonomie der Kunst, aber ohne erzieherischen Anspruch gegenüber den Menschen, deren Klassenwirklichkeit nur entfremdete Freuden zuläßt) mit der Praxis eines Publikums konfrontiert, das sich in den zwanziger Jahren den "Jazz" pragmatisch als "linke Musik" aneignete. Während Adorno entgegengehalten wurde, daß er eine musikalische Material-Substanz unterstellt, steht die Bewertung einer linken Vereinnahmungspraxis gegenüber neuen Klänge noch aus. Darauf soll in der nächsten Folge eingegangen werden. Zuvor ist jedoch noch eine Verteidigung jener linken Musiker und Musikerinnen notwendig, die in Anlehnung an Eisler und Adorno unter "Protestmusik" die Abgrenzung von "gefälligen" Tönen verstehen. Dazu gehören übrigens auch Popmusiker, etwa Mark Stewart (z.B. seine neuste LP "Control Data") oder Cabaret Voltaire (etwa das Stück "Baader Meinhof" auf dem Album "Listen Up With C.V."). Ohne diese Abgrenzung müßte die notwendige Kritik an Adorno mit Beifall von der falschen Seite rechnen, zu der neben massenopportunistischen politischen Gruppierungen auch "kulturlinke" Szenen wie Büro Bert und Minimal Club zu zählen sind, die beanspruchen "politische Kunst" zu machen. Für die einen wie die anderen gilt es als Selbstverständlichkeit, daß Autonomie der Kunst nur eine Parole derer sein kann, die dem Widerstand bzw. der Subversion gleichgültig oder feindselig gegenüberstehen, und daß einzig von parteilicher bzw. engagierter Kunst eine politisch "progressive" Wirkung zu erwarten ist. Dagegen ist festzuhalten: Das Konzept der Autonomie der Kunst zählt nicht nur zu den heroischen Illussionen des 19. Jahrhunderts (die Hoffnung auf wahrhaftige Popularität und ein Reich der Freiheit), sondern auch zum Gegenstandbereich der materialistischen Klassenanalyse. Adornos Ansatz hat den Vorteil, daß er den Ort von Kunst in der kapitalistischen Klassengesellschaft bestimmt, was in heutigen Diskussionen kaum noch versucht wird. "Autonomie der Kunst" ist eine radikale Position, die auf die Aufhebung der ökonomisch-sozialen Zwänge zielt, die darauf beharrt, daß Kunst eines der wenigen Paradigmata nicht entfremdeter Arbeit darstellt und zudem die Forderung nach einer umfassenden Kulturrevolution enthält. Das bürgerliche Individuum erfährt seine kapitalistische Produziertheit nicht unmittelbar aus dem Gegensatz von Lohnarbeit und Kapital. Seine persönliche Besonderheit erscheint ihm vielmehr als natürliche Voraussetzung, die erst im Nachhinein mit der Gesellschaft kollidiert. In der klassischen Ästhetik wird diese Erfahrung als Freiheitsproblem thematisiert und die Aufhebung der Unfreiheit zuerst von der Kunst erwartet. Dieser idealistische Übergang von der realen Unfreiheit in die geistige Freiheit der Kunst, hat einen wahren Kern darin, daß Kunst im Kapitalismus tatsächlich als Sonderbereich existiert, in dem Menschen sich auf ihr schöpferisches Vermögen beziehen können. Aber diese Möglichkeit besteht angesichts der fortbestehenden Trennung von geistiger und körperlicher Arbeit nur als Privileg für eine Minderheit, was die Anhänger der "engagierten Kunst" gerne verschweigen, während Adorno gerade hier politischen Sprengstoff vermutete. Die hohe Prestige, das Künstler und Künstlerin in der bürgerlichen Gesellschaft genießen (der Respekt kann überraschend schnell in Haß umschlagen), beruht darauf, daß sie das vielbeneidete Personal einer Sphäre sind, von der angenommen wird, daß sie all das bietet, was allen anderen verwehrt ist: Ein zwangloses und selbstgestaltetes Leben entsprechend den eigenen Bedürfnissen und Neigungen. Doch diese Idee von individueller Autonomie und Originalität funktioniert nur vor dem Hintergrund einer gesellschaftlichen Arbeitsteilung, die die Kunst, indem sie ihr einen Freiraum zugesteht, zur gesellschaftlichen Wirkungslosigkeit verurteilt. Die Kunst ist eine "autonome Zone" und als solche stellt sie, so Adorno, eine permanente Provokation für diejenigen dar, die sich alltäglich den Sachzwängen beugen. Als einziges Refugium nicht entfremdeter Tätigkeit hält sie die Erinnerung an ein anderes Leben wach (darauf möchte Adorno sie verpflichten), was für viele derart unerträglich ist, daß sie alles, was in der bürgerlichen Gesellschaft nach institutionalisierten Regeln als Kunst gedeutet wird, am liebsten beseitigen würden. Durch die Objektivierung als "Werk" durchdringt Kunst, gerade weil sie ihre Getrenntheit von der übrigen Produktion im Kapitalismus nicht aufheben kann, die alltäglichen Symbolebenen. Dieser Vorgang wird in bestimmten Szenen einseitig mit Eigenschaften wie "subversiv", oder "aufklärerisch" in Verbindung gebracht, obwohl er auch etliche Mystifikationen begründet, etwa die Idee vom freien ursprünglichen Schaffensakt, die Verheißung eines Fluchtpunktes außerhalb einer als schlecht erfahrenen Realität oder den Wahn vom unmittelbaren Eingriff des Geistes in die Wirklichkeit. Adorno, der keine billigen Subversionsversprechen verkaufte, wußte: "Kunst führt heraus und doch nicht heraus." Die damit angesprochenen Mystifikationen sind nicht dadurch zu beseitigen, daß man der Kunst ihre Rolle in der Klassengesellschaft abstrakt zum Vorwurf macht. Auch nicht dadurch, daß man gegen "autonome Kunst" wettert und das altavantgardistische Versprechen von der Überwindung der Kluft zwischen Kunst und Leben (natürlich auf dem Boden der Kunst!) aufwärmt. Linke Kunstkritik kann nur Kritik der genannten Mystifikationen sein (z.B. Kritik am Pop-Mythos von Revolte) und niemals Denunziation des Bedürfnisses nach künstlerischer Autonomie, weil das ein Bedürfnis nach Reflexion, Zweckfreiheit und einem Leben jenseits von Sachzwängen ist, die durch jene Form der gesellschaftlichen Arbeit diktiert werden, die als Kapitalverhältnis (Wert) bekannt ist. Der große Protestsong-Schwindel Wenn Ende Juni die Sex Pistols in Hamburg ihr vor 19 Jahren abgesagtes Konzert nachholen, wird der Mythos vom ewigen Kampf zwischen "Subkultur" und "Mainstream" ein weiteres mal demontiert werden. Als die Sex Pistols diesen Mythos damals als "Schwindel" bezeichneten, wollten viele darin eine extrasubversive "Strategie" erkennen. Gegen den Willen zur Vereinnahmung für die "gute Sache", nützen offenbar auch Musikerdementies nichts. Vom "Jazz gegen Offiziere" in den zwanziger Jahren über "Rock gegen Rechts" in den frühen achtziger Jahren bis zur "Mitternachtsdemo" mit Techno am 13. Juni in Frankfurt (demnächst mehr dazu) reicht die Überzeugung, populäre Sounds & Grooves könnten für linke Zwecke durch "Umcodierung" von Bedeutungen beliebig vereinnahmt werden. Dieser Ansatz, dessen Problematik vielen seiner Anhänger durchaus bewußt ist, soll keineswegs pauschal zurückgewiesen werden. Einige Erfahrungen scheinen sogar für ihn zu sprechen. In diesem und der nächsten Folge geht es jedoch zunächst einmal um das Mißlingen. Ein aktuelles Beispiel dafür ist die HipHop-Rezeption. Als Punks und Linke, die HipHop lange Zeit ihrem Hauptfeind "Disco" zuschlugen, diese Musik Ende der achtziger Jahre HipHop für sich entdeckten, spielte Public Enemys "Fight The Power" dabei eine zentrale Rolle. Viele dachten spontan, die explizite Militanz dieses Songs meine ungefähr das, was z.B. Ton Steine Scherben mit "Macht kaputt, was euch kaputt macht" meinten. Der Rap schien sich glatt einzufügen in eine mehr oder weniger diffuse linke Vorstellung von weltweiten Widerstand gegen "das System". Man dachte, unmittelbar an etwas anschließen zu können, mit dessen sozialem und politischem Kontext - Zwangsetnisierung, Selbstkulturalisierung etc. - , man sich bis dahin nie auseinander gesetzt hatte. Erst ein einige hundert Rap-Platten weiter, wurde bemerkt, daß die Dinge etwas komplizierter liegen. Diese Erfahrung führte allerdings oft nur zu anderen Varianten der Vereinnahmung, etwa zur Glorifizierung von Ghetto & Gangsterism. Immerhin provozierte die relative Sperrigkeit des HipHop einen Diskussionsaufwand, wie man ihn bis dahin in Musikszenen nicht kannte. Der linksprogressive Wille, der zu dieser Zeit schon deutlich abgeklärter war als in den siebziger Jahren, war beim Versuch, sich auf die Seite des "schwarzen Widerstands" zu schlagen, auf unerwartete Schwierigkeiten gestoßen. Eine Vereinnahmung von HipHop als "Protestmusik" scheiterte vor allem daran, daß afroamerikanische Rapper und Rapperinnen es meistens ablehnen, sich als die "guten Marginalisierten" zu präsentieren. Der linke Zugriff funktioniert nicht. Jedenfalls nicht so, wie er bei den Zapatistas zu funktionieren scheint, deren lyrische Manifeste einen - vor allem seit dem Bürgerkrieg in Jugoslawien - bereits untergegangenen linken Internationalismus wiederbelebten. Während viele Rapper den sexistischen Macho nicht nur miemten, schien die EZLN selbst in der "Frauenfrage" fast jeden eurolinken Test zu bestehen. Die Zapatistas gaben der europäischen Linken wieder den Glauben an den edlen Unterdrückten zurück. Es ist klar, daß sie nicht zu diesem Zweck angetreten sind, sondern daß sie lediglich einige Prinzipien vertreten, die in Europa zu einem Idealbild geformt wurden, von dessen Bestätigung die weitere Solidarität letztlich abhängig gemacht wird. Beim HipHop funktioniert das so nicht, denn da sind die Marginalisierten ganz deutlich nicht die fraglos Guten. Viele Rapper und Rapperinnen präsentieren sich als richtig unangenehme Zeitgenossen, die Kapitalismus für alle fordern, sexistische Slogans mögen und an "schwarze Gene" glauben. Für europäische Linke stellt das ein heftiges Problem dar. Übrigens eins, das Initiativen, die sich für Flüchtlinge einsetzen, auch seit einigen Jahren kennen. Gegenüber der Situation der siebziger Jahre, als viele der hier lebenden Immigranten linken Gruppierungen angehörten, hat sich da einiges verändert. Ein Teil der Rap-Gruppen präsentiert sich also anders als vom alternativen Publikum erwartet. Es muß zur Kenntnis nehmen, daß diese "Anderen" die Anderen nach dem Verschwinden der idealisierten "authentischen Anderen" sind. Die aber, sofern es sie je gegeben haben sollte, wurden bereits von Kolumbus' Leuten und den Sklavenhaltern totgeschlagen. Die, die heute als die Anderen definiert werden, sind hingegen von dem selben System gezeichnet, von dem auch "wir" gezeichnet sind. Denn die Totalität der Gesellschaft bewährt sich, so Adorno, darin, daß sie alle ihre Mitglieder - und somit auch jene, die an den Rand gedrängt sind - nach ihrem Ebenbild formt. Auch die Marginalisierten, die übrigens keine homogene Gruppe darstellen und die durchaus über Handlungsmöglichkeit verfügen, sind von Indifferenz, von aggressivem Konsumismus, von Xenophobie, Sexismus und Nationalismus geprägt. Widerstand und Konformismus gehen daher meistens Hand in Hand. Die glänzenden Helden gibt es nur in der schlechten Literatur. Im HipHop gibt es sie nicht. Deshalb mußte eine pauschale Vereinnahmung der Raps als Protestsongs mißlingen. Weitere Einwände Vor etwa einem Jahr sollte in der "Roten Flora", dem kulturellen Zentrum des Hamburger Alternativ-Milieus, eine Raggamuffin Party stattfinden. Obwohl jedoch alle Stilvarianten des Reggae (Roots, Rockers, Dub, Ragga, HipHop Reggae bis hin zu reggaelastigem Jungle und Trip Hop/Headz) vom Flora-Publikum seit jeher als Protestmusik von Unterdrückten rezipiert werden, sollte es diesmal zum Eklat kommen. Das aus mehreren Frauen und Männern bestehende DJ-Team hatte für diese Veranstaltung mit einem Plakat geworben, das aus einer vergrößerten und nur leicht modifizierten Telefonsex-Anzeige bestand. Empörte Flora-Aktivist/innen forderten umgehend die Absetzung der Party und erzwangen eine Diskussionsveranstaltung, die den Sexismus des DJ-Teams entlarven sollte. Sie hatten bis dahin überhaupt nicht bemerkt, warum es in den meisten Raggamuffin-Platten nicht nur textlich geht: um mehr oder weniger explizite Slackness-Gesten, vorgetragen aus der Perspektive heterosexueller männlicher Toaster, die aus ihrer schlechten Meinung von Frauen und Schwulen kein Geheimnis machen. Den politisch korrekten Aktivisten war das entgangen, weil sie Reggae pauschal als antirassitischen Riddim vereinahmt hatten. Erst der ironisch-provokative Verweis des DJ-Teams auf ein in dieser Musik sehr dominantes Thema, machte die Ignoranz des linken Moralismus sichtbar. Die Geschichte der Reggae-Rezeption in der BRD ist über weite Strecken eine Geschichte von Mißverständnissen. Die selektive Wahrnehmung und Ästhetisierung dieser Musik als "Widerstandsmusik" - the real culture exists on the frontline! - , konkurriert in diesem Fall allerdings mit dem Begehren der Bürgermehrheit. Anders als in den bisher geschilderten Fällen, in denen eine Musik als links gelten konnte, weil sie von Konservativen und Rechten offensiv abgelehnt wurde, gilt Reggae breiten Teilen der BRD-Bevölkerung als Soundtrack zum schunkelnden Karibikkreuzfahrt-Fernweh-Traum. Der Titel "Sunshine Reggae" des dänischen Pop-Duos Laid Back erreichte 1983 Platz eins der westdeutschen Hitliste. Und in Gassenhauern wie "Bruttosozialprodukt" von Geier Sturzflug mutierte Reggae schon frühzeitig zur Polonäse Blankenese. Nimmt man noch die bratwurstduftende Open-Air-Festivals hinzu, auf denen sich liebenswürdige Normalos und rastaselige Dreadlockträger zum Roots Reggae-Konsum treffen, so zeigt sich, daß wir es hier mit konkurrierenden Vereinahmungsversuchen zu tun haben. Wo die einen nur schunkeln wollen, suchen andere neoromantisch nach dem paradiesischen Urzustand und wieder andere nach dem konsumierbaren Widerstand. In noch größere Schwierigkeiten gerät das linke Umcodierungs-Vorhaben, wenn der "Mainstream" ebenfalls am symbolischen Nonkonformismus interessiert ist. So wurde z.B. die britische Sängerin Nicolette auch vom "Spiegel" kürzlich als Rebellin gefeiert: "Der Aufruf zu Umsturz und Anarchie ist noch nie erotischer vorgetragen worden." Hier zeigt sich, daß zwar alles durch semiotische Aneignung zum Zeichen werden kann, aber nur im Rahmen einer sozialen Welt, die durch relativ stabile Machtverhältnisse charakterisiert ist. Die meisten popsubkulturellen Szenen tun jedoch so, als existierten die Zeichen im luftleeren Raum und hätten mit der Reproduktion sozialer Hierarchien nichts zu tun. Besonders von Musikstilen, deren Image als weniger verbraucht gilt, wird gerne angenommen, sie eigneten sich besser als die fragwürdig gewordenen Varianten des musikalischen Protests zur Symbolisierung der "Revolte". Deshalb sind bei linken Demonstrationen (z.B. während der jüngsten Studenten-Proteste in Wien) und Aktionen (z.B. bei den Protesten gegen die Burschenschaften 1995 in Tübingen) immer häufiger Digitaler Hardcore, Chicago-House, Acid-House, Minimal-Trance, Neue Elektronische Musik, Jungle oder TripHop zu hören. In Frankfurt erschien in diesen Tagen die 12-seitige Zeitung "Nachtexpress - Save Our Night" (Bezug: Vogelsbergstr.17, 60316 FFM), die zu einer von Techno-DJs beschallten Mitternachtsdemonstration mobilisieren soll, die sich gegen behördliche Reglementierungen des Nachtlebens und brutale polizeiliche Überfälle auf unangemeldete oder "zu lautstarke" Parties richtet. Obwohl die Veranstalter erkennen, daß Techno heute auch ein anerkanntes Jugend-Freizeit-Ding ist und das "Techno-Establishment" sich als Standortfaktor ins Spiel gebracht hat, obwohl sie also die platte Entgegensetzung von "Rave-O-lution" und "Repression gegen die Technokultur" hinterfragen, imaginieren sie sich doch als Partysanen, die das Feld letztlich in den Griff bekommen werden. Vor allem erscheint die Party selbst als widerständige Praxis ("party for your right to fight"), die aus einen antagonistischen Widerspruch zwischen "Hedonismus" (vorgestellt als natürlicher Impuls) und lustfeindlichem Kapitalismus abgeleitet wird, wodurch "Party" als Ort erscheint, an dem Klassenschranken, Geschlechterhierarchien und Ethnisierung des Sozialen relativ unbedeutend werden. Aber auch wenn man sich zum Beispiel das neue Egoexpress-Album "foxy" problemlos als Demo-Musik vorstellen kann, so bleibt doch der Einwand, daß keine Elektro-Platte die sozialtechnologischen Macht- und Fortschrittsmythen abschütteln kann, die dem Image dieser Musik eben AUCH eingeschrieben sind. Das Interpretandum ist nie unmittelbar gegeben, sondern bildet sich vermittels spezifischer sozialer Diskurse, an denen ganz unterschiedliche Kräfte beteiligt sind. Die linken darunter sind mit Sicherheit nicht tonangebend. Soundcheck - The Greatest Hits Of Revolutionary Music Wie sich bisher zeigte, ist es überhaupt nicht möglich, vorab zu bestimmen, was ein Protestsong ist. Songs werden erst im Prozeß ihrer Deutung zu dem, als das sie interpretiert werden. Erst in einem komplexen Prozeß von Kommentaren, Kritiken und Konsumpraktiken kann aus Musik, Lyrik, Songtiteln und deren Präsentation Pop-Protest werden. An diesem Prozeß, in dem das Image einer Musik definiert wird, ist eine unüberschaubare Anzahl von Leuten und Institutionen mit den unterschiedlichsten Motiven und Phantasien beteiligt. Die Autoren dieses Diskurses sind Pop-Professionelle und Konsumenten, die sich in bestimmten Themen und Inszenierungen zu erkennen glauben, Plattenfirmen und Musik-TV, PR-Manager und Subkulturideologen, Sportswear-Hersteller und Szene-Clubs, Stadtzeitungen und über "Pop & Politik" berichtende Nachrichtenmagazine. In der Hoffnung, den Diskurs zu ihren Gunsten verschieben zu können, sind auch Linke an der Kanonbildung beteiligt. In den letzten Folgen wurden am Beispiel von HipHop, Reggae und Techno einige damit einhergehende Schwierigkeiten benannt. Aber gibt es nicht auch Beispiele des Gelingens? Material für die weitere Diskussion bietet die folgende Liste: The Greatest Hits Of Revolutionary Music (Traditional)
Die Frage nach der Glaubwürdigkeit Mit der in der letzten Folge abgedruckten Liste von "Protestsongs" steht eine Frage im Raum, die in der Musikrezeption immer wieder im Mittelpunkt steht - die Frage nach der Glaubwürdigkeit des Anspruchs von Musik und Musikern. Denn keine andere Kunst, so scheint es, bringt uns die Überzeugungen und Empfindungen anderer Menschen so unmittelbar nahe, wie Musik. Wir hören jedes Detail der Stimme und der Spielweise, so daß wir glauben, noch die Verstellung vom Echten unterscheiden zu können. Und die Suche nach dem echten Gefühl und der wahren Überzeugung ist ein zentrales Anliegen der meisten Rezepienten. An diesem Maßstab wird beispielsweise die britische "Protestsängerin" Nicolette von einem Autor des Popmagazins "Spex" (6/96) gemessen und - obwohl sie selbst den traumartigen Klang ihrer Musik als bewußt kalkulierten Effekt beschreibt - als unauthentisch abgeschrieben: "Hier wird mein Hauptzweifel deutlich: Ich habe das Gefühl, daß ihre Stimme mit der Naivität kokettiert". Musik, sei es nun die Stimme, der Beat oder der Sound, wird auf diese Weise als Spiegelbild von Gefühlen und Haltungen der Musiker und verstanden, wobei dieses Innere wiederum als etwas interpretiert wird, in dem sich die gesellschaftlichen Verhältnisse "ausdrücken". Wir haben es hier also mit einem Sender-Empfänger-Modell zu tun, in dem Musik als eine Form direkter Kommunikation verstanden wird, als Medium für ein unverfälschtes Ausdrucksbedürfnis, dessen "Message" vom Publikum in der Regel verstanden wird. Ob es sich dabei um politische Parolen, um ekstasische Ur-Schreie oder um qualvolle Depressionen im Joy Division-Stil handelt, in jedem Fall, so die verbreitete Vorstellung, wird etwas mitgeteilt. Unklar ist lediglich, ob man dem Mitgeteilten trauen kann. Ist die Depression nur gespielt? Kommen die Rapper wirklich aus dem Ghetto? Ist der Rock noch rebellisch oder schon korrumpiert? Ist Madonna wirklich die, als die sie sich gibt? War der Anti-CBS-Song "Complete Control" von The Clash ein Fake und meinen Atari Teenage Riot ihre Anti-Industrie-Haltung wirklich ernst? "Was ist, wenn eine Plattenfirma auf euch zukommt und sagt: 'Ihr bekommt 100.000 US $'. Was passiert dann?" (Interviewfrage der Zeitschrift "Beute" 2/96 an die Band Bikini Kill). Als überzeugendster Beweis für Glaubwürdigkeit gilt solchem Dogmatismus nicht zufällig der Selbstmord eines Kurt Cobain. Die Vertrauensfrage steht am Anfang und am Ende aller linken oder linkskulturellen Zugriffsversuche. Die meisten linken Blätter, soweit sie sich zu dem Thema äußern, unterscheiden sich kaum von Zeitschriften wie Spex oder dem Hardcore-Magazin ZAP, die im Stil der Stiftung Warentest Musik, Musiker und Labels immer wieder auf ihre "Ehrlichkeit" hin abklopfen und dabei auf stabile Identitäten und eindeutige Repräsentationen pochen. Das Modell für diese Vorstellung von glaubwürdiger Repräsentation ist das gemalte Bild, das den Gegenstand wieder vor Augen bringt, als wäre er anwesend. Dabei geht die Macht des Bildes über die Verdoppelung der Sinnesdaten hinaus: Die Einbildungskraft ist in der Lage, "innere" Erfahrungsmuster (Gefühle, Emotionen), zu Gegenständen der Wahrnehmung zu machen. Sie werden im Bild scheinbar objektiviert und können von ihm als konkrete Anwesenheit repräsentiert werden. Diese Möglichkeit, das Innere auszudrücken, wird seit dem 18. Jahrhundert insbesondere der Musik nachgesagt: Die Musik bzw. der Ton als ihre kleinste Einheit kann dem, was nur in der Vorstellung existiert, Anwesenheit verleihen. Sie ist Zeichen unserer Gefühle und Haltungen. Zunächst galt nur der Gesang als expressiv, aber mittlerweile wird auch Instrumenten und Geräuschen nachgesagt, daß sie das Drinnen nach Draußen tragen. Doch der Ton, der hier als Zeichen von etwas definiert ist, hat kein für sich bestehendes Merkmal und keine vorideologische Bedeutung. Einen Ort hat er nur in dem harmonischen System, also z.B. dem westlichen Strukturprinzip der Musik und den damit historisch entstandenen Sinngebungen. Da Musik verklingt, also weniger beständig ist als die Farben eines Bildes, ist ihre Bedeutung zudem instabil. Erst durch die wiederholte Bekräftigung wird eine Wirkung erzielt und Sinn definiert. Die "Darstellung" einer depressiven Gemütsverfassung, einer koketten Naivität oder einer radikalen politischen Haltung in der Musik funktioniert demnach nur als kollektives Phantasma, das die Illusion von realer Anwesenheit solcher Verfassungen und Haltungen produziert. Dieses Phantasma läßt sich im Prinzip ebenso ein- und ausschalten, wie man eine "depressive" gegen eine "radikale" CD austauschen kann. Der Wille, sich auf die eine oder andere "Stimmung" einzulassen ist die einzige Voraussetzung, damit die Wirkung eintritt. Für zwei Stunden politisch radikal zu werden ist überhaupt kein Problem: "Es schluchzt in der Tragödie, wer zeit seines Lebens keinerlei Mitleid mit einem Unglücklichen hatte." (Rousseau). Das von der Musik (und den mit ihrer Aufführung einhergehenden Rahmenbedingungen) scheinbar erzeugte Gefühl ist seinem Wesen nach also ein fiktionaler und theatralischer Prozeß, und das gilt durchaus auch für den Protestsong. Aus einem Popkonzert oder einer Disco kommt man heraus wie aus dem Kino: Man hat verschiedene Stimmungen durchlebt, aber am Ende war doch alles nur wie im Film: Realer Genuß und trotzdem nicht wahr. In einem Gangster Rap-Konzert beispielsweise kommt das Publikum in Berührung mit dem Typ, der eine Knarre im Auto hat und von sich sagt, daß er "jede Nutte fickt". In dieser Berührung durchleben die Hörer ihre eigenen diesbezüglichen Haltungen und Phantasien und haben dennoch die beruhigende Gewißheit, "daß alles gar nicht wahr ist". Die Psyche tritt zu einem geradezu transzendenten Erlebnis an. Man durchlebt verschiedene Stimmungen und ist doch nicht involviert oder zu einer konkreten Handlung aufgefordert. Auch der Protestsong bietet nicht einfach den Anblick von realen Geschehnissen, sondern er verwandelt sie in ein "Bild" und stellt daher beim Publikum ein Phantasma her. Die Chance, daß daraus bei Leuten, die nicht schon vorher engagiert waren, eine politische Handlung folgt, ist gering. Die Erfahrung zeigt, daß in diesem Prozeß soziale und politische Ereignisse eher kulturalisiert und genießbar gemacht werden. Zur Bedeutungskonstitution im Pop Für Fredric Jameson ist jede kulturelle Manifestation zugleich eine politische Phantasie, die die tatsächlichen, wie die für möglich und wünschenwert gehaltenen sozialen Verhältnisse, sowie die subjektiven Positionen innerhalb der ökonomischen Ordnung artikuliert. So gesehen enthält JEDE Popmusik immer schon politische (linke, bürgerliche oder rechte) Phantasien. Und diese entwickeln sich nicht neben der sozialen Welt, sind also nicht einfach "Ideologie", sondern Bestandteil real wirksamer Repräsentationspraxen und Normalisierungsdiskurse. Populäre Musik bietet den Individuen die unterschiedlichsten imaginären Lösungen an. So wie in Folge 14 dieser Serie mehr als 100 "Protestsongs" aufgelistet wurden, so lassen sich auch jederzeit 100 Platten finden, aus denen sich beliebige andere "Inhalte" heraushören lassen. Pop bietet die Folie für praktisch alle (ritualisierten) Phantasmen: Politischer Widerstand, Subversion, Gewalt, Teilnahme am gesellschaftlichen Fortschritt, Technikbegeisterung, Technikkritik, Naturalismus, Multikulti, Identitätsspiele, Romantik, Entgrenzung, Blick in die Räume hinter dem Bewußtsein etc. Auf diese Weise stellt die Musik einen spezifischen individuellen Bezug zu einer überpersönlicher Realität (Sozialstruktur, Geschichte) her. Durch das Angebot an Scheinobjekten zerstreut und transformiert sie zugleich politische Phantasien und Ressentiments im vorpolitischen Raum. Die "politische Wirkung" bestimmter Musik geht auf bestimmte Gesten zurück, die zu einem bestimmten Zeitpunkt als "progressiv", "radikal" oder "militant" rezipiert werden. Aus diesem Grund konnte z.B. auch Johnny Dae's "Rock Around The Clock" in der Liste der Protestsongs auftauchen. Der Titel gehört zu jenen Songs, die am Anfang der großen Rockprotest-Erzählung stehen. Vor allem um die Coverversion von Bill Haley ranken sich unzählige Mythen. Der unpolitische Haley soll diesen "Negerhit" in den USA vehement gegen rassistische Anfeindungen verteidigt haben. Und in Europa, so heißt es, löste der väterlich-rundliche Musiker eine regelrechte Teenager-Rebellion aus, von der sich damals das "Neue Deutschland" ebenso distanzierte ("Rock'n'Roll-Gangster") wie die westdeutsche "FAZ" ("Generalangriff auf Geschmack und Anstand"). Diese Bill Haley-Interpretation hat sich längst als kanonisierter Standart durchgesetzt. Wie die vielen Geschichten, die über Elvis, Merseybeat, Soul, Freejazz, Kalifornienpop, Punk, Hardcore oder Dance-Underground erzählt werden, so begründet auch diese einen Mythos, an dem heute selbst Bands wie PUR partizipieren können. Ähnlich wie ein kugelförmiges Objekt aus Leder erst im Stadion zum Fußball wird, kann ein Song nur in einem bestimmten Bedeutungsfeld zum Protestsong werden. Ohne die soziale Konstruktion von Bedeutung bleiben die Zeichen abstrakt und wirkungslos, bleibt z.B. ein Rap von Busta Rhymes einfach ein groovender Reim (wie daraus mehr wir, werden wir noch sehen). Und obgleich sich die Bedeutungen verschieben, wird doch über Pop & Politik nicht jedesmal anders gesprochen. Typisch für diesen Diskurs ist nicht zuletzt, daß sich die Rezeptionsprozesse immer wieder auch konventionalisieren. Auch wenn die Rezeptionssituation (Konzert, Disco, Wohnung) von den Rezepienten heute völlig frei gewählt werden kann, wird die Bedeutung einer bestimmten Musik doch nicht von den einzelnen Konsumenten bestimmt. Die Images wurden und werden vielmehr in gesellschaftlichen Auseinandersetzungen relativ verbindlich definiert: Schlager sind zum Mitklatschen, Jazz ist Musik für "Kenner", Rock ist Musik für gigantische Großveranstaltungen, House gehört zum Nachtleben, Klassik genießt man nicht in der Westphalenhalle, Liedermacher nicht in der Disco und Techno nicht in einem bestuhlten Konzertsaal. Von Ausnahmen abgesehen, werden alle Musikstile von Plattenfirmen, Musikzeitschriften und durch den praktischen Umgang der Konsumenten mehr oder weniger konstant in immer wieder dieselben Kontexte gestellt. Jedes Image hat eine imaginär-diskursive und materiell-konkrete Geschichte, die nicht zuletzt auch eine Geschichte der sozialen Distinktion ist, die als "Geschmacksache" daherkommt. In diese Systematik wird auch neue und unvertraute Musik, die noch keine Rezeptionsgeschichte hat, eingeordnet - z.B. als "exotisch" und "fremd", was ja auch schon ein Image ist. Und in dem Moment, da die Bedeutungen relativ eindeutig fixiert sind, wird auch die Umkehrung dieses Zusammenhangs möglich: Die Musik "produziert" nun den Kontext bzw. beeinflußt das Erleben von Situationen, sei es im Jeansshop, im Chilout-Room oder während einer politischen Demonstration. Im Zusammenhang mit der Bedeutungskonstitution werden auch die mit der Musik befaßten Subjekte im sozialen Raum produziert und positioniert: Künstler/innen und Publikum, Stars und Fans, "Massenpublikum" und "Kopfhörer", "progressive DJ's" und "biedere Gitarristen", Erwachsene und Teenies, männliche "Kenner" und weibliche "Groupies", Dominante und "Exoten", Pop und "Weltmusik", "Mainstream" und "Underground", Pop- Intellektuelle und Pop-Proleten, "Angepaßte" und "Dissidenten". In diesem Prozeß spielen schließlich tatsächlich nicht nur Plattencover, Videos, Moden, Frisuren, Gestik und die öffentliche Lebensweise der Musiker/innen ihre Rolle, sondern auch das, was als "musikalisches Substrat" gilt, sowie die Statements in Interviews und Songtexten. Allerdings nicht als Ursache einer bestimmten Wirkung, sondern als soziale und politische Zeichen, die an der Bedeutungskonstitution und nicht zuletzt an der Reproduktion sozialer Hierarchien AUCH beteiligt sind. Damit ist gesagt, daß der (politische) Anspruch der Musiker/innen zwar eine Rolle spielen kann, zugleich aber auch, daß er vom Publikum ignoriert oder umformuliert werden kann. Akustische Protestsongs können ebenso gut als Einschlaflieder benutzt werden, wie politische Bluesstücke als Tanzmusik taugen können. Umgekehrt können Musiker, die noch nie einen Text von Marx oder Deleuze gelesen haben, deren Namen auf ihr Plattencover drucken, um ihrem Produkt ein linksintellektuelles Image zu verleihen. Die Abgrenzung vom "seichten" Protest als soziale Strategie "Wenn ich einem Freund einen Brief schreibe, um ihn zum Abendessen einzuladen, ist mein Brief in erster Linie eine Mitteilung, Kommunikationsmittel. Doch je mehr Gewicht ich auf die Form meiner Schrift lege, um so mehr wird er ein Werk der Kalligraphie. Und je mehr ich die Form meiner Sprache betone, um so eher wird der Brief ein Werk der Literatur oder der Poesie." (E. Panofsky "Sinn und Deutung in der bildenden Kunst", Köln 1978). Die Trennungslinie zwischen der Welt der technischen Objekte, z.B. dem Kommunikationsmittel Brief, und der Welt der ästhetischen Objekte, z.B. einem Roman, hängt offensichtlich nicht von der Intention der Briefeschreiber ab. Sie ist vielmehr ein Produkt gesellschaftlicher Normen und Konventionen, die um die Definition dieser Trennungslinie konkurrieren. Allerdings hängt die Bewertung eines solchen Schreibens auch von den Intentionen der Betrachter ab, davon, ob sie sich den jeweils gültigen Normen gegenüber konform verhalten, was wiederum nicht nur eine Frage des Willens, sondern auch eine des sozialen Orts ist: Nur wer über ein bestimmtes Bildungskapital verfügt, kann einem "anspruchsvoll" formulierten Brief für Literatur, Punk-Musik für Dadaismus oder New Yorker Rapper für Bohemiens halten. Ähnliches gilt auch für die Trennungslinie zwischen einem analytischen politischen Text und einem Protestsong. In der Regel werden wir aber z.B. die folgenden Zeilen nicht für einen theoretischen Text halten, weil uns die konventionalisierte Form vertraut ist:
Fügt man nun die Information hinzu, daß es sich bei diesem als Protestsong erkannten Text um einen Auszug aus Michael Jacksons "They Don't Care About Us" handelt, dann wird das Urteilsvermögen noch einmal auf die Probe gestellt. Denn jedes Feld der ästhetischen Produktion besitzt seinen eigenen (wenn auch umstrittenen) Regelkanon. Bei der schon im ersten Teil dieser Serie aufgeworfenen Frage, ob Michael Jackson ein Protestsänger ist, wird das sofort deutlich. Die sonst so selbstverständliche linke oder linkspopkulturelle Einstellung findet hier ihre faktischen Schranken an den Interessen, die sich aus der Zugehörigkeit zu bestimmten Szenen ergeben. Dort stört man sich jedoch nicht in erster Linie daran, daß Michael Jackson reich ist - das gilt bekanntlich auch für Bob Dylan. Daß Jackson unter denen, die Pop & Politik zusammenbringen wollen, als "unglaubwürdig" gilt, hat eher mit einem "Ekel vor dem Leichten" (Bourdieu) zu tun, der sich seiner Orientierung an "hochkulturellen" Legitimierungsinstanzen überhaupt nicht bewußt sein braucht. Jackson nimmt im Regelkanon des Pop den Rang eines Superstars ein, gehört also dem Register des gemeinen Geschmacks an, der "leichten" und allzu gefälligen Verführung, die für Menschen mit "Anspruch" offenbar eine Zumutung darstellt. Wenn so einer musikalisch protestiert, dann ist das entweder verdächtig oder lächerlich. Das Interesse an sozialer Abgrenzung, dem sich solche Urteile letztlich verdanken, wird allerdings geleugnet, indem es als "Geschmackssache" daher kommt, über die angeblich nicht gestritten werden kann, weil Geschmack ja als höchst individuelle und natürliche Eigenschaft gilt. Der soziale Zwang zur Selbstbehauptung innerhalb der gesellschaftlichen Hierarchie wird in diesem Fall über die Abgrenzung von der "Masse" in distinktiv-symbolische Eigenschaften transformiert. Tatsächlich werden solche Entgegensetzungen von "anspruchsvollen" und "seichten" Protestsongs selten genauer begründet. Das dürfte auch schwierig sein: Musikalisch kommen viele der Songs, die als authentischer Protest rezipiert werden, weitaus biederer daher als "They Don't Care About Us". Und was den Songtext angeht, kann Michael Jacksons Hit mit diversen Politpop-Songs zwischen "Where Have All The Flowers Gone" und "People Got To Be Free" durchaus mithalten, besonders aber mit den längst schon vergessenen deutschsprachigen "Bewegungsliedern". Zum Beispiel mit diesem:
Es macht für Linke keinen Sinn politisierten Kulturkonsum in wirklichen und unechten Protest zu unterteilen. Man würde damit nur der Fiktion einer ursprünglichen und vorkulturindustriellen, von Markteinflüssen freien subversiven Kreativität aufsitzen, die erst im Nachhinein und unter heroischem Protest vom Markt "vereinnahmt" wurde. Das aber ist eine Erfindung von Mittelklasse-Subkulturen, die sich über den konstruierten Gegensatz zwischen "progressiven" und "konsumorientierten" Kulturverbrauchern einen besonderen Status als Innovatoren verschaffen wollen. Diese Erzählung ist zudem nur eine weitere Variante einer Verfalls- und Regressionsrhetorik, aus der sich keine revolutionäre Konsequenz ableiten läßt. Noch weißer als Weiß Selten hat sich die politische Linke bisher so entschieden von einer "Popsubkultur" abgegrenzt wie von der Love Parade. Während man in der Vergangenheit Udo Lindenberg als Protestsänger durchgehen ließ (beim Frankfurter "Rock gegen Rechts"-Konzert 1979 wurde er mit Hilfe von SB und KB als Veranstaltungshöhepunkt lanciert), Heinz Rudolf Kunze von der Friedensbewegung als Protestsänger akzeptiert wurde (das paßte durchaus zusammen) und überzeugte Adorniten angesichts des "proletarischen" Punks ihren Meister verrieten, läßt man sich von der "größten Jugendbewegung" der neunziger Jahre überhaupt nicht beeindrucken. Die meisten Linken sind sich sicher, daß es sich bei der "Techno-Jugend" um eine unechte Gemeinschaft von Konsumenten handelt, um apolitischen Hedonismus. Die Love Parade wird deutlich negativer beurteilt als zum Beispiel die vom Volkswagenkonzern in den letzten Jahren gesponsorten gigantischen Rockkonzerte (Genesis, Pink Floyd, Rolling Stones). Allein auf den Stones-Konzerten im letzten Sommer tanzten insgesamt 700.000 Menschen. Und das Motto der diesjährigen Love Parade "We are one family", wurde dort viel radikaler verwirklicht, insbesondere bei dem Konzert auf dem Werksgelände in Wolfsburg, an dem 50.000 Angehörige der "Werksfamilie" teilnahmen. Nicht einmal der Umstand, daß die Love Parade seit dem letzten Jahr offiziell als politische Demonstration angemeldet ist, führt zu dem sonst üblichen bündnispolitischen Taktieren. Dabei erinnert diese Inszenierung des olympischen Tanzgedankens sogar in mancher Hinsicht an frühere FDJ-Veranstaltungen: Die Jugend der Welt demonstriert in der Hauptstadt für Peace & Unity, am Straßenrand winken begeisterte Zuschauer und zufriedene Spaßfunktionäre sowie die Redakteure des Zentralorgans nehmen die Parade ab. Noch mehr erinnert die Love Parade allerdings an die Praxis der westlinken 68er Bewegung. Denn dort galt das spontan und öffentlich seine Bedürfnisse artikulierende Subjekt ausdrücklich als Keimzelle politischer Rebellion. Die damalige Linke setzte dem System als einem Unwahren das Ganze menschlicher Subjektivität als das Wahre entgegen. Der staatlichen Ordnung wurde damals eine Ästhetik gesteigerter Subjektivität gegenüber gestellt, die als schöpferische Kraft, Sinnlichkeit, Spiel und Musik definiert wurde. Auch die Fixierung eines explizit politischen Programms wurde 1968 ausdrücklich abgelehnt - als Verrat an der Reinheit der Absicht. Dieses sich selbst dogmatisierende Spontanitätsprinzip war trotz der damaligen Militanz keineswegs ein Gegenmodell zur ästhetischen Ordnung des Kapitalismus: Noch während die Demonstrationen von der Polizei angegriffen wurden, erschienen im TV die ersten Werbespots, in denen Hausfrauen für ein weißeres Weiß demonstrierten. Die Losungen von damals - zum Beispiel: "die Phantasie an die Macht" - , könnten durchaus auch Motto der nächsten Love Parade werden. Daniel Cohn-Bendit stellte bereits vor 28 Jahren den Fun-Faktor in den Mittelpunkt, als er in seinem Buch "Linksradikalismus - Gewaltkur gegen die Alterskrankheit des Kommunismus" von der "Schönheit der Barrikadennächte" schwärmte. Das rule model der antiautoritären Praxis war die bürgerliche Künstlerpersönlichkeit. Heute empfinden sich, wenn man den Umfragen glauben darf, mehr als 20% der Jugendlichen als Künstler. Mehr noch als damals verspricht Pop als säkularisierter Kult vor allem anderen eine gesteigerte Sinnlichkeit, also all jene Einmaligkeiten, die schon die Kunst des Bürgertums versprochen hatte, bevor ihre Aura der technischen Reproduzierbarkeit des Kunstwerkes zum Opfer fiel. Die Love Parade kann also durchaus in die "68er Tradition" gestellt werden. Und der Berliner Techno-Hedonismus ist nicht apolitischer als es die Hannoveraner Chaos-Tage sind: Im Unterschied zur Love & Peace-Variante braucht die sich als militant und antilegalistisch verstehende Abteilung des Pop-Protestes die attackierte Legalität als Tabu, um subjektiv zum Erlebnis der Entgrenzung zu kommen. Auf dieser Ebene sind das zunächst nur zwei Wege des Gut-Drauf-Kommens. Der Vorwurf, bei der Love Parade handele es sich um einen ganz besonders unpolitischen Hedonismus, läuft dann auch den Wunsch nach einem "richtigen" Kulturprotest hinaus. Dieser Vorwurf beruht jedoch auf einer fragwürdigen Gegenüberstellung von Pop und Politik, die davon ausgeht, daß es mit "Politik" einen Bereich gibt, auf den es wirklich ankommt, wo die harte Wirklichkeit vorkommt, und dann zusätzlich einen anderen, nachgeordneten Bereich der Kultur. Die Genußstruktur der Kulturkonsumenten - Warenfetischismus, Bedeutungsfetischismus und Identitätsfetischismus - wird dann als von der sozialen Realität unabhängig existierend betrachtet. Rausch und Ratio, Protest-Phantasie und Macht, "symbolreiche" Ästhetik und "ausstrahlungsarme" Politik scheinen dann ganz unterschiedlichen Welten anzugehören, werden als wirklich autonome Diskurse bzw. als Substanzen behandelt. Doch die Kultur entwickelt sich nicht neben oder außerhalb der sozialen Welt, sondern ist Moment ihrer Konstitution. Die Love Parade ist also durchaus als politische Protestaktion einzuordnen - als Demonstration für ein noch weißeres Weiß. Auch das ist eine politische Position im vergrößerten Deutschland. Methoden der Kontextualisierung und Sinngebung Der Aufkleber auf der Gitarre von Pete Seeger ("This Machine kills fascists"), die langen Haare der Rockmusiker in den Sechzigern und die kurzen, gefärbten des Punk, die Goldketten der ersten Rapper und Rapperinen und die Ziegenbärtchen beim DancefloorJazz-Publikum, all das und noch vieles andere sind Fetische einer Symbolkultur des Pop, Erkennungszeichen von Zugehörigkeit und Mittel der Aktualisierung von Identität. Zusammen mit den Songtexten, den Plattenhüllen sowie den Aufführungsorten kontextualisieren diese Codes die Musik und verleihen ihr Bedeutung. Ohne Fanzines kein Punk, ohne Parental Advisory-Sticker kein Gangsta Rap, ohne Virtual Reality-Rhetorik kein Techno. Die Musikrichtung der meisten CDs erkennen wir bereits am Layout (art work!) der Booklets. Nennt sich eine Gruppe Scan X oder ein Titel "2019"; so wissen wir schon, daß es sich um neue elektronische Musik handelt. Alternative Rock kennt keine Titel, die "Brother To Brother" heißen und Bikini Kill werden wir nicht für den Bandnamen einer weiblichen R&B-Gruppe halten. Es gibt keine Musik, die als solche ohne zusätzlichen verbalen, gestischen oder imagemäßigen Bedeutungsüberschuß eine politische Aussage treffen kann. Je ambitionierter der politische Anspruch, desto größer fällt in der Regel der außermusikalische Aufwand aus. Vielen Punk-Platten lagen umfangreiche Beihefte mit politischen Erklärungen bei, HipHop-Gruppen verorten sich durch ausgiebige Danksagungen an Vorbilder und Verbündete, Frontpage veröffentlicht Manifeste und Slogans, Hamburger Schule-Bands spielen gelegentlich für linke politische Gruppierungen. Alle diese Images stehen in keiner notwendigen Relation zur Musik. Einmal historisch entstanden, perpetuiert sich ein Image jedoch über die Zeit hinweg aus sich selbst heraus bzw. kann sich durch Zitate auf bereits etablierte Images beziehen. Diese sekundäre politische Konditionierung wird auf Seiten der Rezepienten durch Kenntnis von Musikbüchern und sonstigen Erzählungen sowie durch Erfahrungen in Plattenläden, Clubs oder Konzerten bestätigt und vervollständigt. Für die, die es glauben wollen, ist "Revolution" dann ein Ereignis, das auf einer Platte von den Beatles oder von Arrested Development stattfindet. Das politische Statement auf der Plattenhülle, bei dem es sich funktional gesehen um einen Werbetext handelt, kann dann zur emotionalen Auffrischung einer bereits vorhandenen positiven Einstellung zum politisierten Kulturkonsum führen. Wenn Imagination und Identifizierung einmal nicht so glatt gelingen, müssen Pop-Ideologen, die sich der Aufgabe verschrieben haben, mehr oder weniger die gesamte Pop-Musik als Protestmusik zu definieren (über die Pop-Intellektuellen wird noch zu reden sein), solche Fiktionen stimmig machen. Diese Arbeit erfordert eine ebenso kanonisierte wie überspannte Dissidenz-Rhetorik. Die fortwährende Überhöhung des politischen Gebrauchswertes von Pop schließt deshalb einerseits über Image-Analogien an historische kulturlinke Avantgardeströmungen an, andererseits an diversen professionellen Subkulturtheorien, die auf eine bestimmte linke Tradition zurückgehen, die in jeder sozialen Regung den Willen zum grundsätzlichen "Widerstand" vermutet. Diese kulturlinke Hoffnung auf eine Symbiose aus Pop und Politik ist mit dem linksradikalen Interesse an der Überwindung von Kunst und Leben durch praktische Kritik der gesellschaftlichen Arbeitsteilung nicht vereinbar, weil sie diese Aufhebung auf dem Boden von Kunst und Pop sucht und den Status von Künstlern und Kunstkritiker festschreiben möchte. Das kulturlinke Interesse an der Darstellung nahezu aller Musik als Protestmusik ist daher ein berufliches. Besonders deutlich wird das bei der zweiten Generation der Poptheoretiker, die ihre Karrieren gleich in den Großverlagen starteten. So schreibt z.B. Ulf Poschardt, Spiegel-Autor und Redakteur bei dem Magazin der Süddeutschen Zeitung in seinem Buch "DJ Culture": "Ein Teil des Widerstandes kämpft nicht mit den Mitteln der Politik, sondern hat sich im Bereich der Kultur organisiert... (Sie) kämpfen vor allem im Nachtleben." Es ist genau dieses Interesse an der Darstellung des eigenen Jobs als Frontabschnitt im "Kulturkanpf", das die Erfindung von "Protestsongs" anheizt. Bei Poschardt steht die "DJ Culture" für "eine neue Form des Widerstandes". Andere haben sich darauf spezialisiert, jeden einzelnen Rapper zum Revolutionär zu adeln. Ein schönes Beispiel dafür findet sich in dem Popmagazin Spex. In einem Interview mit dem Zwanzigjährigen Rapper Busta Rhymes, der bislang vor allem mit seinen Reimen und seinem neuen Wohlstand beschäftigt ist, findet sich folgende schöne Passage, die ihn in die symbolische Revolte einpaßt:
So wird man sich mit der Welt immer einiger und die Zahl der Protestsongs steigt und steigt. Ohne es selbst zu wissen, ist Busta Rhymes schon unterwegs vom Falschen zum Richtigen. Man muß es nur heraushören können. Protestindustrie "300.000 Menschen, 700 Hektoliter Getränke, über 50 Live-Bands, eine Million Mark Kosten: Der Sound of Frankfurt verwandelte die Shopping-Meile Zeil in eine Großraum-Disco" (Frankfurter Rundschau, 15.7. 96). Nie war Pop so allgegenwärtig in der BRD wie in den letzten vier Jahren. Und nie mußte sich der damit einhergehende Anspruch auf Nonkonformismus so wenig vor denen rechtfertigen, die wirklich in riskanter Konfrontation mit Rassismus, Sexismus und Nationalismus stehen. Der Popstandort Deutschland boomt: Die Besucherzahlen bei Rockkonzerten, Techno-Veranstaltungen und Europop-Nächten gehen in die Hunderttausende. Die Clubszenen und die daran geknüpften Industriezweige bilden unter dem Titel "DJ Culture" einen zunehmend exportorientierten Wachstumsmarkt. Durch den erheblichen Zuwachs bei Deutschpop und "nationalen Produktionen" wird die von Heinz Rudolf Kunze geforderte 40%-Quote von vielen Plattenfirmen bereits erreicht und von etlichen Radiosendern sogar übertroffen. Auch die Konkurrenz zwischen VIVA und MTV spielt dabei eine Rolle. Parallel zu diesen Trends beobachten wir den fast vollständige Verzicht sogenannter Subkulturen auf die vormals übliche inszenierte Distanz zur "Industrie", die sukzessive Auflösung der bisherigen Grenzziehungen zwischen etabliertem Feuilleton und Popjournalismus, sowie zwischen Galerien und Pop. Nicht zu übersehen sind auch die neuen Bündnisse zwischen Literatur und Pop sowie die Versuche, Pop unter dem Titel "Kulturstudien" an der Uni zu etablieren. Im vergrößerten Deutschland wird "Kultur" immer mehr zum Katalysator sozialer und politischer Ein- und Ausgrenzungsprozesse, und Pop spielt dabei eine immer größere Rolle. Vor dem Hintergrund veränderter Klassenkonstellationen, in deren Verlauf einstmals als "niedere Massenkultur" denunzierte Geschmacksmomente gesellschaftlich legitimiert wurden, konnte die Popkultur insgesamt (nicht nur die Musik) zu einem Feld sozialer Distinktionskämpfe werden, das zudem für Kapital und Staat neue Interventions- und Kontrollmöglichkeiten bietet. Diese Veränderungen haben seit den 80er Jahren auch den Status eines vom Stil & Habitus her progressiven neuen Popjournalismus aufgewertet, dessen soziale Funktion kaum noch zu übersehen ist: Er produziert durch eine pragmatische Plünderung diverser Theorien vor allem Material für den sozialen Konkurrenzkampf der Mittelschichtjugend, die sich so - im Bündnis mit dem etablierten Feuilleton - ihre Überlegenheit gegenüber "untertheoretisierten" Szenen proletarischer Konsumenten und dabei insbesondere gegenüber den Kindern von Migranten (als den wirklichen, allerdings unfreiwilligen Außenseitern) sichert. Sie kennen die Macht der relevanten Codes und haben die entsprechenden Verbindungen. Zusammen mit den Werbegeldern macht sie das wortmächtig genug, um Pop immer wieder an den Diskurs der Subversion anzubinden, an dem die auf die Produktion von Subkulturen spezialisierte Kulturindustrie dringend interessiert ist. Was allein seit dem letzten Mittwoch in den einschlägigen Medien an neuer "Protestmusik" vorgestellt oder angekündigt wurde, ist beachtlich: Auf arte läuft derzeit die sechsteilige Serie Lost In Music, laut taz ein Protest "wider das weltumspannende MTV-Format" (das es nicht gibt, weil MTV alle Szenen differenziert bedient). Gleich nach den Hannoveraner Chaos-Tagen wird in Köln mit der PopKomm die weltweit größte Fachmesse der Subkulturindustrie stattfinden. Glaubt man dem Popjournalismus, dann treffen sich dort lauter subversive DJs, die das Cut'n'Mix-Prinzip als Umsetzung der Lehren von Hegel und Malcolm X verstehen. Der mexikanische Popstar El Vez wird dazu "die Fahne der Zapatisten schwingen". Mit Tortoise wollen die Alternative Rock-Sektion (!) von MTV und ein bekanntes Kölner Underground-Magazin eine Band begünstigen, die "Independent"-Musik wieder "aus der Legitimationskrise befreien" soll. Da trifft es sich gut, daß gleich nebenan in einem Club, der wirklich "Underground" heißt, Wiglaf Droste und Danny Dizuk mit ihrer deutschen Version von Camp literarische Opposition machen wollen. Die Goldenen Zitronen wiederum werden, laut diverser Plattenbesprechungen, diese Solidaritätsveranstaltung (Codewort: Komm Unity) nutzen, um die Frage nach der "kulturrevolutionären Kraft von Popmusik" und einem "ästhetischen Revolutionsmodell" neu aufzuwerfen, sich aber auch die Stärke leisten, "es auch nicht besser zu wissen". Und während diverse deutsche Gitarrenbands und Rap-Gruppen ihre Siege über die ausländischen Invasoren feiern, wird "Das Musikalische Quintett" (u.a. Heinz Rudolf Kunze und Götz Alsmann) ein Stil-Konzil abhalten, um den musikalischen "Austritt aus der NATO" (Kunze) zu überwachen. Damit nicht genug: Schon einen Tag nach der PopKomm findet in Dortmund unter dem Titel "Rock For Bosnia" ein großes Protestkonzert statt, u.a. mit Fury In The Slaughterhouse, die wiederum zusammen mit Udo Lindenberg und der Kelly Family auch auf dem Anfang Juni erschienenen Sampler "Taten statt warten - 25 Jahre Greenpeace" vertreten sind. In etlichen linken Medien, die dieser Entwicklung bislang entweder zustimmend (Subkultur als authentische Neue Soziale Bewegung) oder gleichgültig gegenüber standen, wird in jüngster Zeit gelegentlich Kritik geübt. Vor allem das Gebahren kulturlinker "Avantgarden" wird jetzt häufiger mißbilligt, wie etwa die durchweg ablehnenden Besprechungen des Rowohlt-Bandes "Poetry! Slam! Texte der Pop-Fraktion" zeigen. Trotzdem wird ein detaillierterer Kommentar zu den kulturellen Protest- und Dissidenzkonzepten noch lange keine offenen Türen einrennen, weil ein Teil der linken Subkulturkritik von einer "hochkulturellen" Position aus argumentiert oder dem symbolischen Protest einen "authentischen" gegenüberstellt. Es wird gerne übersehen, daß bisher noch kein linker Widerstand ohne Symbolik auskam. Und die Hoffnung, Kunst antizipiere Modelle eines gelingenden Lebens, ist ja eine linke Idee, die heute lediglich auf Pop übertragen wird. Die meisten "subkulturellen" Phantasien sind sogar nur Variationen auf linke Vorbilder, wie z.B. "Avantgarde", "Untergrund", "Strategie", "Bündnis", "Tabubruch" oder "sexuelle Befreiung". Deshalb konnte Mao bei Andy Warhol zur Pop-Ikone werden. Oder Che Guevara-Poster zu Megasellern.
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