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Rock und Revolte
Der Star-Club Hamburg 13.4.1962 - 31.12.1969 |
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«Wir waren die totalen Idealisten» Das letzte Aufgebot der Herren Dostal und Reichel
Es waren hauptsächlich nostalgische Gefühle, die Achim Reichel und Frank Dostal
dazu bewegen, im Februar '69 den siechen Star-Club als neue Pächter zu
übernehmen, Frank Dostal: «Der Niedergang des Clubs war für uns enttäuschend.
Achim und ich hatten hier als Musiker begonnen. Für uns war der Star-Club ein
Teil unseres Lebens, und wir konnten einfach nicht begreifen, daß das, was dort
zuvor jahrelang lief, plötzlich nicht mehr möglich sein sollte. Andere Star-Gastspiele brachten nicht den gewünschten Erfolg. Kuno: «Einmal sind wir total auf die Schnauze gefallen, als wir die Tremeloes engagierten. Wir dachten, die haben ja Welthits gehabt, also ist das 'ne Granate, aber dann kam kaum jemand. Es war eben 'ne reine Popband, für die sich das Progressiv-Publikum nun überhaupt nicht interessierte.» Im März kamen Savage Rose, wenig später die Rainbows mit dem späteren Uriah Heep-Mann Dave Byron als Sänger. Im April gastierten die Casuals, im Mai der Move-Ableger Ace Kefford Stand. Pink Floyd sollten zu dieser Zeit ebenfalls auftreten, kamen dann aber doch nicht. Überhaupt gab es immer wieder Probleme mit Gruppen, die zwar gebucht waren, dann aber nicht erschienen. Kuno: «Wir hatten die Pretty Things angekündigt und an dem Abend ein brechend volles Haus. Und dann kamen die nicht, und ich mußte raus auf die Bühne und das ansagen und den Leuten an der Kasse ihr Geld zurückzahlen, o Mann! Verträge mit England kannst du vergessen, das war immer ein banges Hoffen und Warten, ob nun die Band auch tatsächlich kommt oder nicht. Das gleiche haben wir auch mit Free erlebt, wir hatten die unterschriebenen Verträge liegen für ein 2-Tage-Gastspiel, und die haben die Verträge einfach ignoriert. Und nun klage mal nach England rüber- keine Chance! Diese Nerven, ob die Bands auch tatsächlich kommen, kann echt keiner nachvollziehen. Diese ewige Angst - du hast zwar den Vertrag, aber kommt die Gruppe jetzt auch oder müssen wir die Abendkasse, die wir wirklich nötig brauchten, wieder zurückzahlen . . . Zum Glück war das Publikum immer sehr verständnisvoll und hat nie gemurrt.» Die Zeiten, in denen Bands ihr letztes Hemd dafür gaben, um im Star-Club auftreten zu dürfen, waren unwiederbringlich dahin. Kuno: «Die spielten nicht mehr nur aus Image-Gründen. Ich würde schon sagen, daß einige Gruppen auch deshalb kamen, weil irgendwelche Bandmitglieder früher mal im Star-Club auftraten. Aber es war gleichzeitig auch eine Sache der D-Mark, wenn die nicht stimmte, lief gar nichts.» Ende Mai gab es dann wieder
ein Konzert der alten Güte: die Easybeats rockten zwei Shows lang alles in Grund
und Boden. Vor der Bühne standen die Mädchen mit Tränen in den Augen und
kreischten den Australiern zu, und alles war noch einmal so wie früher. Am 6.
Juni gastierten Love Affair vor versammeltem Teen-Publikum, und am 11. Juni kam
Häuptling Keef Hartley mit Fransenjacke und Indianerkopfputz für zwei Konzerte
an die Große Freiheit. Doch trotz dieses Weltklasse-Programms war der endgültige Tod des Star-Club nicht mehr zu stoppen. Kuno: «Wir hatten das Problem, daß bei guten, wirklich guten Gruppen der Laden alltags leer war. Am Wochenende haben wir dann so gerade eben die Band-Gage wieder rausgeholt. Das Publikum hat uns trotz all unserer Bemühungen einfach im Stich gelassen. Die Leute sind nur gekommen, wenn namhafte Bands da waren. Nur: die namhaften Bands haben natürlich auch namhaftes Geld gekriegt, und das konnten wir gerade eben mit Eintritt und Getränken - dabei ist der Einkauf noch gar nicht gerechnet - decken. Unser Defizit aus der Woche aber blieb bestehen und wurde immer mehr. Das Publikum kam nur bei Star-Gastspielen mal kurz aus dem Grünspan rüber, anschließend sausten sie schnell wieder zurück. Außerdem traten ja jetzt auch Bands in großen Konzerthallen auf, die sonst früher immer im Star-Club waren. Das hat uns natürlich ebenfalls geschadet. Neue Bands konnten wir im Gegensatz zu früher nicht mehr richtig aufbauen, weil einfach niemand da war, um sie zu sehen. Dazu kam, daß der Star-Club eben eine Bruchbude mit einem ziemlich schlechten Image war. Mal war was los, mal nicht, mal war Discothek - man konnte einfach nicht mehr so wie früher blind in den Star-Club gehen und ständig war dort Action. Wir haben uns zwar total abgerackert, um das wieder zu ändern, aber gegen den Imageverlust aus der Dieck-mann-Zeit kamen wir nicht so schnell an. Vielleicht, wenn wir mehr Zeit gehabt hätten, aber dazu langte unsere Kohle nicht mehr. Wir hatten zum Teil auch unheimliches Pech. Im November '69 hatten wir zum Beispiel Spooky Tooth für zwei Tage gebucht. Der erste Tag lief auch sehr gut, aber am zweiten Tag setzte plötzlich ein tierischer Schneesturm ein, und da kamen dann nur noch gerade zweihundert Leute.» Das Ende nahte. Im September erschienen in der Presse die ersten Nachrufe auf den Club, der acht Jahre lang das musikalische Geschehen in Hamburg bestimmt hatte. Doch Dostal, Reichel und Dreysse gaben nicht kampflos auf. Sie bescherten dem Star-Club einen glanzvollen Abgang und buchten noch einmal Namen auf Namen. Colosseum, Hast of Eden, Juniors Eyes, The Gun, Steamhammer und Man traten im Herbst im todgeweihten Club auf. Einige Wochen lang spielten als abendliches Alltagsprogramm The Earth, die sich dann in Black Sabbath umtauften und eine Weltkarriere starteten. Es kamen Griff in mit dem späteren Yes-Drummer Alan White und Hardin & York, die «kleinste Bigband der Welt», ein Ableger der Spencer Davis Group, die in Hamburg sofort zur clubfüllenden Attraktion aufstieg. Es gastierten Vanilla Fudge, zu der Zeit neben Iron Butterfly die
Drogen-Kultband Nr. l, und ließen die Zeitungen jubeln: «Noch einmal eine Nacht
wie früher!» Es kam Brian Auger, der im brechend vollen Haus zwei Konzerte gab,
an die in Hamburg noch heute ehrfurchtsvoll gedacht wird. Und der 31. Dezember,
der letzte Tag des Star-Club, rückte immer näher. Finanziell standen Dostal,
Reichel und Dreysse schon längst jenseits von Gut und Böse. Kuno: «Die letzten
Monate konnten wir keine Miete mehr bezahlen, da haben wir seit Oktober
praktisch unsere Kaution <abgefressen>. Die Frau an der Kasse war angewiesen,
immer wenn sie 50 Mark zusammenhatte, sie schnell in ihrer Handtasche
verschwinden zu lassen, damit eventuelle Abendkassen-Pfändungen keinen Erfolg
hatten. In der Woche hatten wir dicht, damit wir wenigstens am Wochenende noch
ein Programm finanzieren konnten.» Am Silvesterabend 1969 fand im Star-Club das letzte Konzert
statt. Hardin & York traten auf und lieferten ein wehmutsvolles
Abschiedsrequiem auf das Ende einer Epoche mit einem Songmedley der Band, die
hier vor acht Jahren die Eröffnungsnacht bestritt: mit einer 25-Minuten-Version
der Beatles-Klassiker Lady Madonna und Norwegian Wood. Bevor die letzte Band die
Star-Club-Bühne betrat, hielt Kuno seine Abschiedsrede: «Ich habe mich da
richtig in Zorn geredet. Ich sagte, dies sei der letzte Abend, also der wirklich
allerletzte Abend im Star-Club. Und daß ihr, das Publikum, daran selber schuld
habt. Ihr kommt mit dem Arsch nur hoch, wenn irgendwas Namhaftes hier ist, dann Natürlich habe ich da die falschen Leute angepöbelt, das galt ja mehr für die Leute, die nicht gekommen waren. Aber ich war eben doch ganz schön frustriert, da hatten wir uns alle total abgerackert für nichts und wieder nichts. Ich hatte an dem Abend ziemlich gemischte Gefühle. Auf der einen Seite war ich sehr froh, daß der ganze Krampf vorbei war. Aber auf der anderen Seite war es diese Enttäuschung, daß wir es nicht geschafft hatten, den Club wieder auf das Niveau von früher zu bringen. Da waren wir gescheitert. Heute schwärmt wieder alles vom Star-Club, auch von unserer Schlußphase, weil wir da wirklich noch mal was auf die Bühne brachten. Aber das liegt wohl daran, daß die Erinnerung ziemlich verklärt und das Angenehme immer positivere Gestalt annimmt und man die Unannehmlichkeiten vergißt. Wenn ich es heute ganz sachlich betrachte, gab es für mich keine schönen Augenblicke im Star-Club. Okay, wenn abends mal der Laden voll war und ich einen Moment nicht an die Abrechnung dachte, dann glaubte ich schon, Mensch, vielleicht ist das der Anfang. Vielleicht gefällt ihnen das heute, und sie kommen morgen wieder. Aber am nächsten Tag war's wieder leer. Das waren so die ganz kurzen Augenblicke, aber an sich war immer die Enttäuschung da. Als alles vorbei war, haben wir hinter der Bühne noch ein Bier getrunken, dann packten wir schnell unseren Kram zusammen und verschwanden. Har-din & York hörten um 22 Uhr auf, denn bis Mitternacht mußte der Laden geräumt sein. Ja, und das war dann das Ende.» Dieter Beckmann: «Für uns alte Star-Club-Fans war das so, als ob
ein guter alter Freund gestorben war. Die Zeit in den Kneipen auf der Großen
Freiheit, die Imbißbuden, der Beershop, die Musiker, die man traf, die Leute,
mit denen man reden konnte, all das war mit einemmal aus. In den anderen
Musikschuppen fühlten wir uns unwohl. Das war nicht unsere Szene. Die starke
Gemeinschaft von Fans und Musikern, die Kumpels, die Musik machten und mit dir
dann Bier tranken und für die der Star-Club der Mittelpunkt war, die brach jetzt
auseinander. Viele von den Leuten habe ich dann auch nie wieder gesehen.» |
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Editorischer Hinweis Der Text wurde entnommen aus: 224ff OCR-Scan by red. trend |