Wenn man „Theater" hört, denkt man zunächst an Leute mit eleganten
Kleidern, die sich in den Foyers auf höchst seltsame Art und Weise
produzieren, um so vom übrigen Publikum bewundert und anerkannt zu werden.
Die aufgeführten Stücke unterstreichen den oberflächlichen Charakter dieser
ganzen Show. Man hat sich köstlich .amüsiert" und geht leer nach Hause. Die
Bezüge zur Realität fehlen zumeist, so daß Diskussionen im Publikum nach den
Inszenierungen der bürgerlichen Theater kaum stattfinden. Die klassische
Vorstellung vom Theater als „politisch-moralischer Lehranstalt" existiert
nur noch in literaturgeschichtlichen Büchern.
Ist deshalb das Theater „gestorben"? Wohl kaum. Aber Theater spielt nicht
in einem klassenneutralen Raum, selbst wenn bürgerliche Theaterkritiker ihr
Medium so verstanden wissen wollen.
Das Kreuzberger Theaterkollektiv „Die Zentrifuge" hat versucht, seine
Aufführungen so zu gestalten, daß das Publikum seinen Spaß am Theater
wiederfinden kann. Ein großer Raum mit kleinen Tischen lädt zum Wohlfühlen
und Diskutieren ein. Man kann Schmalzstullen essen, Bier und Wein trinken,
Zeitungen lesen, Bücher kaufen, Zigarren rauchen. Auch für Musik ist
gesorgt. Einige Mitglieder des Kollektivs können ganz gut Gitarre spielen.
Wenn das Licht ausgeht, ist man keinesfalls frustriert, weil man
vielleicht gerade ein interessantes Gespräch führte, sondern harrt eher
gespannt der Dinge, die jetzt passieren sollen.
Die Darsteller spielen keinesfalls im Dunkeln, denn die Bühne wird
beleuchtet, und auch sonst wird Licht in unsere scheinbar so geschichtslose
Lebenssphäre gebracht. Das Stück konfrontiert uns mit unserer eigenen
Geschichte. 1945 — Hitlerdeutschland hat kapituliert. Die Menschen haben
keine Wohnungen, wenig zu essen, die Wirtschaft ist ruiniert.
Im Osten Deutschlands beginnen Kommunisten und Antifaschisten gemeinsam
einen Staat aufzubauen, von dem nie mehr ein Krieg ausgehen soll, in dem die
Ausbeutung des Menschen durch den Menschen abgeschafft wird, die Grundlage
der freien Entfaltung aller Menschen geschaffen wird - die heutige DDR.
Das Stück zeigt die Schwierigkeiten bei der Errichtung der
antifaschistisch-demokratischen Ordnung. Eine Mutter mit vier Söhnen, die
sich bisher aus allem — besonders aus der Politik — herausgehalten haben,
finden den Weg in die Partei der Arbeiterklasse und in die anderen demokratischen
Organisationen (FDJ, FDGB usw.) und werden so zu
aktiven Erbauern des neuen Staates.
Die Machenschaften der „ewig gestrigen" Unternehmer, die versuchen, die
Ausbeuterordnung des monopolkapitalistischen Staates wiederherzustellen,
werden entlarvt. Sie fliehen in den Hort der Reaktion und des Anachronismus
— nach Westdeutschland — , um dort ihre menschenfeindliche Politik weiter zu
betreiben unter dem Schutz und mit Unterstützung der US-imperialistischen
Besatzungsmacht.
Gut gelungen ist die Inszenierung einer Gewerkschaftsversammlung, wo
Publikum und Theaterkollektiv gemeinsam die Überführung eines Betriebes in
Volkseigentum diskutieren, sich der Kraft ihres gemeinsamen Handelns bewußt
werden, begreifen, daß es besser geht, wenn die Arbeiterklasse die Geschicke
des Volkes in eigene Hände nimmt.