Einleitung
Das politische Lieder
Ein Agitationsmittel neben anderen
„ Nicht singen. Diskutieren!"
war im letzten Jahr oft genug der Schlachtruf der Schüler und Studenten, mit
dem sie die „Genossen Sänger" von der Bühne drängten. — „Brüder, zur Sonne,
zur Freiheit!" und „. . . der Rosa Luxemburg haben wir's geschworen, dem
Karl Liebknecht reichen wir die Hand" sangen junge Arbeiter, Angestellte und
Schüler und Studenten auf Kundgebungen zum I.Mai und dem Antikriegstag,
„Wacht auf, Verdammte dieser Erde" erklang auf dem Festival auf Burg
Waldeck. In Hamburg sangen Passanten umfunktionierte Weihnachtslieder mit
Fasia (die scharfen politischen Texte schrieben Peter Schütt,
Agnes Hüfner, Uwe Wandrey und Hans-Joachim Fuhrmann). In anderen Städten
kletterten die Liedermacher auf die Plattenwagen der Straßentheater,
unterstützten Flugblattaktionen, bauten ihre Lieder in Sprechtexte ein,
Dieter Süverkrüp integrierte seinen Vietnam-Zyklus in ein Studentenkabarett,
die Conrads sangen in Kneipen und Straßen Düsseldorfs zusammen mit Sprechern
politischer Kurztexte. |

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Die .Song-Szene" hat sich verändert, sie ist interessanter
und vielseitiger geworden. Diese Anfänge sollten ausgebaut werden. Das pure
Singen von der Bühne her scheint den Sängern nur noch von Fall zu Fall
auszureichen. Sie begreifen ihre Lieder mehr und mehr als Teilfunktion
innerhalb politischer Agitation. Jetzt gibt es mehr Lieder zum Mitdenken als
zum Mitsingen, und es ist keine schlechte Methode, die Zuhörer aus der
Passivität herausgezubrin-gen, wenn über die gesungenen Argumente und Fakten
anschließend diskutiert wird. Die Verschleierung von Eigentumsverhältnissen,
Klassengegensätzen und Widersprüchen in unserer Gesellschaft zeigt gerade in
den unteren Schichten der Bevölkerung verheerende Wirkung; sie allein durch
einige Lieder aufdecken zu wollen, wäre eine ziemlich unkonkrete Utopie.
Zusammen mit anderen und immer wieder neuerdachten Mitteln der politischen
Agitation können diese Lieder langsam Bewußtsein herstellen. Ein langer
Marsch.In unserem 7. Liederheft drucken wir einige der wichtigsten Lieder
der letzten Monate. Das Bändchen ist weniger für Bücherregale gedacht als
für die Mantel- und Hosentaschen von Demonstranten. Es sind Lieder für
politische Praxis.
März 1969
Annemarie Stern
Liederübersicht
- Lied vom Beitrag
- Vorbeugelied
- Mietlied
- Freedom Freiheit Liberte
- Lied vom Sozialstaat
- Das ist unfair, wie sie euch lästern
- Bleimse mir doch weg mit ihrem Scheiß-Vietnam
- Der Heilige Vater
- Der eintausendneunhundertachtundsechzigste Psalm
- Rat an einen jungen Sozialisten
- Macht- und Profitwalzer
- Gemeinsam sind wir stärker
- über Prag nachdenken
- Song von der Freiheit
- Mit dem lieben Gott im Bunde
- Deutschland — nach fünfundvierzlg
- Der Stammtisch hoch
- Ebenholz und Elfenbein
- Lied von der Vernichtung einer Kulturstätte
- Die alten Lieder
- Einheitsfrontlied
- Bandiere rossa
- Linker Marsch
- Solidaritätslied
- Internationale
Liedbeispiel
RAT AN EINEN JUNGEN SOZIALISTEN
(nicht Sozialdemokraten)
AUS DER REICHEREN WELT
Aber wenn du mich fragst Junge,
soll ich gehn in die Armee?
Kann ich dir nur raten Junge,
wenn du stark genug bist, geh.
Stark genug sein, das ist wichtig.
Unterschätz die ändern nie,
denn die waschen die Gehirne.
Das Geschäft verstehen sie.
Lern mit ihren Waffen kämpfen,
wir gebrauchen sie einmal.
Lerne ihre Schwächen kennen.
Schwäche ihre Kampfmoral.
Und es gibt schon viel Soldaten
die sind das Gehorchen satt.
Sag was vorgeht,
diskutiere welche Ursachen das hat.
Und wenn der Soldat weiß, wer ihn
und die Völker unterdrückt,
um im Überfluß zu leben,
ist der Feind schon halb besiegt.
Also wenn du mich fragst Junge,
soll ich gehn in die Armee?
Kann ich dir nur raten Junge,
wenn du stark genug bist, geh.
Text und Musik: Franz-Josef Degenhardt
Die Melodie finden Sie auf der Schallplatte: „Degenhardt Live"
(Polydor 249268)
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- Quelle: politische lieder
´69, ausgewählt und eingeleitet von Annemarie Stern,
herausgegeben von "Arbeitskreis für Amateurkunst" Oberhausen, Josefplatz
3, 1969
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