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Das sind die Ton-Steine-Scherben, da ist oben links der KAI,
der spielt Baß, daneben der Schlotterer als
religiös/ideologischer Berater und Flötist, einer
weiter der Nickel, der spielt
Saxophon und singt und leitet die Organisation.
Der letzte in der Reihe, das
ist der Ralph, der spielt die Rhytmusgitarre, sitzt
am Klavier und singt auch ganz schön. Vor den Tieren
sitzen links der Captain, der
spielt Schlagzeug und neben ihm der Piffi, der Mann an der Sologitarre. Die
einzige Frau in der Gruppe - und deshalb auf dem
Extraphoto, das ist die Angie. Sie spielt
gelegentlich Percussions und ist mit dem religiösen
Berater befreundet. Alle bis auf Schlotterer waren Lehrlinge.
Der Schlotterer hat nur einen Schweißerlehrgang
mitgemacht. Heute arbeitet aber keiner von ihnen
mehr in der Produktion, sie können sich
mittlerweile mit ihrer Musik über Wasser halten. Die Gruppe
macht keine Tourneen und spielt nie auf kommerziellen
Rock-Veranstaltungen. Meistens
ist es so, daß eine Linke Gruppe sie anruft und sie
bittet, auf einer politischen Veranstaltung zu
spielen. Die Ton-Steine-Scherben spielen am Liebsten
vor Jungarbeitern, Lehrlingen
und Schülern, die applaudieren
am Schluß zwar nicht so lange und nicht so laut,
machen aber dafür meistens Aktionen- Hausbesetzungen, Demonstrationen, etc.
;Die Scherben machen dann gleich mit,
jedenfalls bis auf ein, zwei Mann, die die Anlage wieder abbauen
müssen. Zu den Veranstaltungen bringen sie meistens noch Dias mit,
die die Songs optisch ergänzen.
Am Besten ist es, wenn die Veranstalter auch noch
einen Stadtrat (oder einen
anderen Ehrenmann der jeweiligen Stadt) eingeladen haben,
der dann einige "passende Worte" spricht. Das
wird immer ein Heidenspaß. Ist
bei einer Ton-Steine-Scherben-Veranstaltung vorher schon gewiß, dass
genügend Leute kommen, sollte die dafür
verantwortliche Gruppe kein Eintrittsgeld nehmen,
sondern die Leute während der ganzen Sache
auffordern, Geld für die Unkosten der Band zu
spenden. Die Scherben kommen zu
jeder Veranstaltung, wenn sie sich was davon
versprechen. Scheiße finden sie nur die vielen linken
Gruppen, die denken, die TSS sind doch eine linke
Gruppe, die kosten nicht so viel,
die holen wir uns mal her. Dann sitzen da 10-20 Genossen
und hören sich den Ohrenschmaus an, anschließend
geben sie ihnen ein wenig Geld, diskutieren mit ihnen
"Funktion der Musik im Klassenkampf" und spendieren
ihnen ein tolles Essen. Die alte Bourgeois-Masche,
sich die Künstler an den Hof zu holen, nur
etwas modernisiert. Aber was will die Gruppe
nun eigentlich wirklich? Bier ist ihr Selbstverständnis,
das alte Manifest der Ton-Steine-Scherben: Musik ist eine Waffe Musik
kann zur gemeinsamen Waffe werden, wenn du auf der
Seite der Leute stehst, für die du Musik machst. Wenn
du mit deinen Texten etwas sagst und eine Situation nennst,
die zwar alle kennen, die aber jeder
vereinzelt in sich hineingefressen hat, dann werden
alle hören, daß sie nicht die einzigen sind,
die damit noch nicht fertig geworden sind ,und du kannst ihnen eine
Möglichkeit zur Veränderung zeigen. Musik kann also
zur Waffe werden, wenn
du mit ihr die Ursachen deiner Aggressionen erkennst. Mir wollen,
daß du deine Wut nicht verinnerlichst,
daß du dir darüber klar wirst, woher deine
Unzufriedenheit und deine Verzweiflung kommen. Wir
wollen die Feinde des Volkes nennen. "Macht
kaputt,was euch kaputt - zerstört das System,das euch
zerstört l"Unsere Musik soll ein Befühl der Starke vermitteln.
Unser Publikum sind Leute unserer Generation:
Lehrlinge ,Rocker, Jungarbeiter,
"Kriminelle" Leute in
und aus Heimen. Von ihrer Situation handeln unsere
Songs. Lieder sind zum mitsingen da. Ein
Lied hat Schlagkraft, wenn es viele Leute singen
können. Wir brauchen keine Asthetik;
unsere Ästhetik ist die politische Effektivität.
Unser Publikum ist der Maßstab und nicht irgendwelche ausgeflippten
Dichter. Von unserem Publikum haben wir gelernt,
Lieder zu machen, nur von ihnen können wir in
Zukunft lernen, Lieder für das Volk zu schreiben
Wir sind in keiner Partei und in keiner Fraktion.
Wir unterstützen jede Aktion, die dem
Klassenkampf dient. Egal von welcher Gruppe sie geplant ist.
Wir werden in Berlin und West-Deutschland vor
und in Betrieben und in den Jugendheimen der
Arbeiterviertel spielen. Das Ziel ist es,
unsere Aktionen den jeweiligen Situationen in den Betrieben oder
Stadtteilen anzupassen.
Dazu brauchen wir die Unterstützung
der dort arbeitenden Gruppen.
So weit ihre politischen Vorstellungen. Ihre Glaubwürdigkeit haben sie schon
lange unter Beweis gestellt - also
keine Schwätzer.
Jetzt machen sie erst einmal bis Mitte
September Urlaub In Jugoslawien
- mal so richtig abschlaffen.
Wer die Band trotzdem hören will. Es gibt bisher
drei Platten zu kaufen:
1 LP: Warum geht es mir so dreckig?
15.-DM plus Porto
1 Single: Macht Kaputt!
4 .-DM plus Porto
1 Single (Foliengepresst):
Zwei Schwarzfahrer-Songs, 1.-DM
Ende September erscheint ihr
Doppelalbum:(20.-DM) Keine Macht für Niemand
Die Platten können über die Redaktion Hundert Blumen bestellt werden.
- Aus: Hundert Blumen Nr.3/1972
S.6
Hundert Blumen. erschien in Westberlin:
Jg.1 (1972) und Jg.2 (1973), insgesamt 10 Nummern und drei Sonderdrucke.
Sie gilt als ein Nachfolgeprojekt der 1972 eingestellten
AGIT 883, der
"FIZZ" und dem "Hochschulkampf".
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