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Teenage Fair

Kampf der Bakterie

Ich inszeniere eine Lustorgie ohnegleichen", verspricht Afri-Cola-Werbeberater Charles Wilp für Deutschlands erste Junge-Leute-Messe, die „Teenage Fair 69".

Teens und Twens sollen, von Samstag dieser Woche an, in Düsseldorfs Messehallen neun Tage lang durch geballte Beat- und Pop-Atmosphäre l planmäßig „enthemmt" (Wilp) werden. Modehäuser, Banken, Automobilfabrikanten und Getränkehersteller haben — von psychedelischen Lichtspielen bis zu Mondschein-Feten und von Schlagerstar Roy Black bis Alt-Rennfahrer Jüan Fangio — alle und alles aufgeboten, um das Jungvolk in einen dauerhaften Konsum-Rausch zu versetzen.


Der Einsatz ist hoch. Kurt Schoop, Hauptgeschäftsführer der Düsseldorfer Messegesellschaft mbH (Nowea), schätzt allein seine Ausgaben für die Fair, die nicht als Verkaufsmesse, sondern als reine Show geplant ist, auf rund eine Million Mark. Den Gegenwert veranschlagt Schoop höher: ' Westdeutschlands 8,5 Millionen 14- bis 24jährige können für den persönlichen Bedarf jährlich rund 20 Milliarden Mark ausgeben.

Doch während noch an den luxuriös ausgestatteten Ständen der 103 Aussteller sowie an drei überdimensionalen Antibabypillen von Charles Wilp mit installierten Lichtorgeln gezimmert wird — und während vier hübsche Mädchen mit einem alten Autobus in über 150 Städten und Dörfern für die Messe werben —, probt in der Altstadt Düsseldorfs die Apo bereits Aktionen und Proteste gegen die „Konsumbakterie" Teenage Fair.

Das Apo-Konzept: Kabaretts und Straßentheater vor den Messehallen sollen die Messegäste über ihre Rolle als manipulierte Opfer der Werbung aufklären. Protestscharen werden den ausstellenden Brauereien und Limonade-Herstellern den Stoff wegtrinken und arglose Jungkonsumenten aus der Provinz — von der Bundesbahn mit Sonderzügen herbeigeschafft — von den Gnadenbildern ihrer Konsum-Wallfahrt wegdiskutieren.

In die linke Einheitsfront gegen „Konsumterror und Konsumidiotie" reihten sich auch die SDS-Aktiven aus der Nachbarstadt Neuß sowie Schülerzeitungs-Redakteure, Vertreter der Schülermitverwaltungen und die Mitglieder des Republikanischen Zentrums ein. Sie prangern an, was die Marktstrategen aus Werbung, Handel und Industrie als hohe Leistung feiern: die immer subtileren Untersuchungen über Kaufwünsche und Kaufgewohnheiten der Jugend.

So hatte beispielsweise die Nürnberger Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) für das Teenager-Journal „Bravo" recherchiert, daß die 14-bis 24jährigen in einem Jahr

  • für Kosmetik und Körperpflege rund 602 Millionen Mark ausgaben,
  • für Getränke (ohne Bier) 750 Millionen Mark zahlten,
  • für Zigaretten 933 Millionen und
  • für Kleidung sogar etwa 4,6 Milliarden Mark auswarfen.

Großunternehmen wie C & A, Philips, Coca-Cola und Henkel sind bereits massiv in den noch wenig erschlossenen Markt eingedrungen. Werbeserien und Verkaufskampagnen wurden eigens auf die Jungkäufer abgestellt. Das Frankfurter Marplan-Institut assistierte den Produzenten mit psychologischen Untersuchungsergebnissen: „Der Jugendliche hat wenig gelernt, seine Wünsche zurückzustellen oder etwa gar Verzicht zu leisten."
Doch gerade aus dem Lager der scheinbar konsumhörigen Teens und Twens droht der Düsseldorfer Messe jetzt Ungemach. Für Apo-Schüler und Studenten war die Teenage Fair willkommener Anlaß, die auf das Geschäft mit der Jugend erpichten Unternehmer und ihre optimistischen Berater gezielt zu verunsichern. Mit welchem Erfolg, wagen die Protestler noch nicht zu prophezeien.

Immerhin hat die Auflehnung gegen die Konsumgewaltigen schon zwei Teenager-Messen platzen lassen. 1968 riefen 20 Stockholmer Jugendorganisationen zum Boykott der ersten Teenage Fair in Schwedens Hauptstadt auf. Eine „Anti-Messe" warf Veranstalter und Ausstellern vor, die Jugend zu betrügen und auszuplündern. In mehreren Stadtteilen starteten die „Antis" Gratisvorstellungen und buchten überraschende Erfolge: Statt der erwarteten 60 000 zählte die Messe nur 10 000 Besucher, der Veranstalter ging mit 300 000 Mark Schulden in die Pleite.

In Berlin kam, im Mai dieses Jahres, die Jugendmesse „Kicks" erst gar nicht zustande, hauptsächlich aus Sorge vor Apo-Krawallen; zudem zeigten zuwenig Aussteller Interesse. 150 000 Mark wurden für die Vorbereitung umsonst ausgegeben.

Die Düsseldorfer Messeleitung indes gibt sich furchtlos. Sie will die angekündigten Proteste „weich" (Schoop) auffangen und die Apo-Aktivitäten unter Umständen sogar für die Show nutzbar machen. Einige tausend Neugierige könnten auf diese Weise, so hofft Schoop, zu den erwarteten 100 000 Besuchern hinzugewonnen werden.

Auch gegen Schlimmeres hat Düsseldorfs Messe-Chef Kurt Schoop sich gewappnet: „Die Versicherungen sind extra hoch abgeschlossen."

  • Der Spiegel, Nr. 34/1969, S. 66

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