Der Einsatz ist hoch. Kurt Schoop, Hauptgeschäftsführer der Düsseldorfer
Messegesellschaft mbH (Nowea), schätzt allein seine Ausgaben für die Fair,
die nicht als Verkaufsmesse, sondern als reine Show geplant ist, auf rund
eine Million Mark. Den Gegenwert veranschlagt Schoop höher: '
Westdeutschlands 8,5 Millionen 14- bis 24jährige können für den persönlichen
Bedarf jährlich rund 20 Milliarden Mark ausgeben.Doch während noch an den
luxuriös ausgestatteten Ständen der 103 Aussteller sowie an drei
überdimensionalen Antibabypillen von Charles Wilp mit installierten
Lichtorgeln gezimmert wird — und während vier hübsche Mädchen mit einem
alten Autobus in über 150 Städten und Dörfern für die Messe werben —, probt
in der Altstadt Düsseldorfs die Apo bereits Aktionen und Proteste gegen die
„Konsumbakterie" Teenage Fair.
Das Apo-Konzept: Kabaretts und Straßentheater vor den Messehallen sollen
die Messegäste über ihre Rolle als manipulierte Opfer der Werbung aufklären.
Protestscharen werden den ausstellenden Brauereien und Limonade-Herstellern
den Stoff wegtrinken und arglose Jungkonsumenten aus der Provinz — von der
Bundesbahn mit Sonderzügen herbeigeschafft — von den Gnadenbildern ihrer
Konsum-Wallfahrt wegdiskutieren.
In die linke Einheitsfront gegen „Konsumterror und Konsumidiotie" reihten
sich auch die SDS-Aktiven aus der Nachbarstadt Neuß sowie
Schülerzeitungs-Redakteure, Vertreter der Schülermitverwaltungen und die
Mitglieder des Republikanischen Zentrums ein. Sie prangern an, was die
Marktstrategen aus Werbung, Handel und Industrie als hohe Leistung feiern:
die immer subtileren Untersuchungen über Kaufwünsche und Kaufgewohnheiten
der Jugend.
So hatte beispielsweise die Nürnberger Gesellschaft für Konsumforschung
(GfK) für das Teenager-Journal „Bravo" recherchiert, daß die 14-bis
24jährigen in einem Jahr
- für Kosmetik und Körperpflege rund 602 Millionen Mark ausgaben,
- für Getränke (ohne Bier) 750 Millionen Mark zahlten,
- für Zigaretten 933 Millionen und
- für Kleidung sogar etwa 4,6 Milliarden Mark auswarfen.
Großunternehmen wie C & A, Philips, Coca-Cola und Henkel sind bereits
massiv in den noch wenig erschlossenen Markt eingedrungen. Werbeserien und
Verkaufskampagnen wurden eigens auf die Jungkäufer abgestellt. Das Frankfurter
Marplan-Institut assistierte den Produzenten mit
psychologischen Untersuchungsergebnissen: „Der Jugendliche hat wenig
gelernt, seine Wünsche zurückzustellen oder etwa gar Verzicht zu leisten."
Doch gerade aus dem Lager der scheinbar konsumhörigen Teens und Twens droht
der Düsseldorfer Messe jetzt Ungemach. Für Apo-Schüler und Studenten war die
Teenage Fair willkommener Anlaß, die auf das Geschäft mit der Jugend
erpichten Unternehmer und ihre optimistischen Berater gezielt zu
verunsichern. Mit welchem Erfolg, wagen die Protestler noch nicht zu
prophezeien.
Immerhin hat die Auflehnung gegen die Konsumgewaltigen schon zwei
Teenager-Messen platzen lassen. 1968 riefen 20 Stockholmer
Jugendorganisationen zum Boykott der ersten Teenage Fair in Schwedens
Hauptstadt auf. Eine „Anti-Messe" warf Veranstalter und Ausstellern vor, die
Jugend zu betrügen und auszuplündern. In mehreren Stadtteilen starteten die
„Antis" Gratisvorstellungen und buchten überraschende Erfolge: Statt der
erwarteten 60 000 zählte die Messe nur 10 000 Besucher, der Veranstalter
ging mit 300 000 Mark Schulden in die Pleite.
In Berlin kam, im Mai dieses Jahres, die Jugendmesse „Kicks" erst gar
nicht zustande, hauptsächlich aus Sorge vor Apo-Krawallen; zudem zeigten
zuwenig Aussteller Interesse. 150 000 Mark wurden für die Vorbereitung
umsonst ausgegeben.
Die Düsseldorfer Messeleitung indes gibt sich furchtlos. Sie will die
angekündigten Proteste „weich" (Schoop) auffangen und die Apo-Aktivitäten
unter Umständen sogar für die Show nutzbar machen. Einige tausend Neugierige
könnten auf diese Weise, so hofft Schoop, zu den erwarteten 100 000
Besuchern hinzugewonnen werden.
Auch gegen Schlimmeres hat Düsseldorfs Messe-Chef Kurt Schoop sich
gewappnet: „Die Versicherungen sind extra hoch abgeschlossen."
- Der Spiegel, Nr. 34/1969, S.
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