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Archiv Rock und Revolte

Die "Berlin Szene" im Spiegel des BLICKPUNKT

 
Riverboat-Shuffle mit Marathon-Twist
von
k. h.

Einmal im ]ahr tauscht das Jazz-Volk regelmäßig die schräge Ebene seines musikalischen Vergnügens mit der schwankenden von „Deutschlands" und „Poseidons" Decksplanken. Einmal jährlich heißt es statt „O when the saints . . ." „Vom Wasser haben wir's gelernt". Dann kokettieren schräge Vögel mit platten Flundern, die Sonntagsangler werden unruhig und bei einer zünftigen Riverboat-shuffle, die ihren Ursprung auf den Schaufelraddampfern des Mississippi nicht verleugnen kann, wird dem Streben nach Ferne und nicht vermauerten Kellern Ausdruck verliehen.

Gut tausend twistbegeisterte Teilnehmer drängten sich auch diesmal an der Charlottenburger Schloßbrücke, um rechtzeitig auf dem richtigen Dampfer unterzukommen. Mit den Tin Alley- und Umbrella Dazzmen um die Wette ins Horn stoßend, stampften die Kähne im Viervierteltakt Berlins Gewässer aufwärts. Kurzer Aufenthalt an der Schleuse, kleine Extrarunde Rhythmus, Fortsetzung der Fahrt um einen Meter höher und „Go, teil it on the mountens".

Uferbewohnende Laubenpiper und private ßootssportler staunen Bauklötzer — total verrückte Kutsche, die da in Richtung Tegel schunkelt.

Großes Gedränge und Hallo im Seepavillon Tegel, wo die „Rebel twist Guys" und die „Twangy-" und „Mixed Rhythm Gang" den Ankommenden einen heißen Empfang bereiten. Der Kampf um die Gartentische findet eine salomonische Lösung
— die eine Hälfte tanzt, die andere sitzt. Bei mäßigem Flüssigkeitskonsum und übermäßiger Twistbewegung rutschen Sonne und Zeit rapide den Horizont hinunter. Wie ein klecksiger Kontrapunkt hängt der Vollmond über dem Liebesgeflüster. Drinnen stampft es immer noch hitzig und lecker „Ice cream juice-cream" — draußen laben sich die erlahmten Helden in köstlich kostenloser Nachtluft. Deutlich trennen sich die Teilnehmer gegen Ende der „Riverboat-Twist-shuffle 63" in Beobachter und Aktive. Spötter haben noch einen ganz speziellen Sport entwickelt — genüßlich auf Gartenstühle geflezt verfolgen sie, wie die Spaziergänger reihenweise — auf einem stark frequentierten Pfad über drei verborgene Gartenstufen stolpern. Der Stein des Anstoßes wird zum Grundstein wilder Wettleidenschaft — schafft er's oder schafft er's nicht. Natürlich nicht — und die Gefallenen reihen sich ein in den Reigen derer, die Gefallen an den Fällen finden, die sich in dieser Falle fangen.

Ganz klarer Fall, daß auch diesmal das lebensgefährliche Abschlußgedrängel nicht ausblieb. Das Warten auf die Retour-Schiffe wurde wieder zu einem lebensgefährlichen Experiment. „Wie sich klein Fritzchen den Untergang der .Titanic' vorstellt." Hier sollte sich der sonst nie um einen originellen Gedanken verlegene Veranstalter Wolfgang Jänicke für die kommenden Jahre einmal etwas einfallen lassen.
 

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