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Archiv Rock und Revolte

Die "Berlin Szene" im Spiegel des BLICKPUNKT

 
Der AFN im Jazzsaloon
von leuke
 
Ein großes Abstellager für Musikinstrumente jeder Art! Diesen Eindruck konnte ein uneingeweihter Besucher am 5. Dezember im Steglitzer Jazz-Saloon gewinnen. Dabei handelte es sich um 20 Amateurjazzbands, die vor einer Jury und dem fachmännischen Publikum um die Wette „jazzten". Den Siegern winkte ein Job in den Einrichtungen des Berliner Jugendclubs.

Schweißtriefende Musiker auf dem Podium und ein begeistert mitgehendes Publikum, eine Bombenstimmung! Wehe, wenn einmal ein Musiker daneben-„tutete", dann gab es vielleicht ein Echo. Man konnte glauben, daß es um die deutsche Meisterschaft im „Jazzen" ginge. Und dann die mitgebrachten Anhänger einer jeden Band. Der Wettstreitleiter Gerhard Zahmel konnte glücklich sein, wenn er den Namen der Band angesagt hatte, alles weitere ging im Jubel dieser Anhänger unter. Jede Band hatte eine eigene Gemeinde im Saal, und es war ein Wunder, daß diese Fans nicht noch untereinander in einen Wettstreit gerieten. Von „Papa Ko" über die „Roten Zwiebeln" bis zu „Sir Gusche" waren alle Bands der Berliner Spitzenklasse vertreten. Jeder Band wurden von der Jury aus dem eingereichten Repertoire die zu spielenden Titel vorgeschrieben.

Welche Freude, wenn dabei gerade die Paradestücke ausgewählt wurden. Danach hatten die Musiker noch ungefähr 15 Minuten zum Üben, und dann mußten sie über die vielen „Tuten" zum Podium klettern. So waren oft über zehn Bands gleichzeitig in den Nebenräumen am Üben. Welch ein Schmaus für die Ohren! Der Beifall erreichte seinen Höhepunkt, als Gerhard Zahmel den Chefsprecher des AFN-Berlin, George Hudak, vorstellte. Hier spürte man erst richtig, welcher Beliebtheit sich dieser amerikanische Soldatensender bei der Berliner Jugend erfreut. George Hudak bildete zusammen mit Johannes Rediske, Ansgar Wicher, Peter Falck und Ralf Bandholtz die nicht zu beneidende Jury. Nach Mitternacht betrat dann endlich die letzte Band das Podium, und die erschöpften Musiker und Gäste verließen das rauchgeschwängerte Haus. Diese verqualmte Luft muß aber wohl zu einer richtigen „Jazz-Schaffe" gehören. Das beweist vielleicht die spontane Äußerung eines Gastes, als er in die klare Winternacht hinaustrat: „Mensch, is det hier een Mief!" Nach einigen Tagen wurde dann das Ergebnis des Wettstreites bekanntgegeben. Welche Enttäuschung bei vielen Bands, welche Freude bei den Siegern. In der Abteilung „Dixieland" gewann „Sir Gusches Jazzband" vor den „Kansas-City-Stompers"; im „Modern Jazz" die „Modern-Swing-Group" und in der Gruppe Tanzmusik die „Rock-a-Billy-Boys". Diese Bands sind jetzt im „Jazz-Saloon", in der „Dachluke" und im „Swing-Point" zu hören, und daß sie dort jeden Abend für enorme Stimmung sorgen, versteht sich ja nach einer solchen Schlacht im Dezember von selbst. Die unterlegenen Bands warten bereits auf den nächsten Wettstreit, um dann zu zeigen, was eine echte deutsche Jazzharke ist. Wer mit dabeisein möchte, notiere sich bitte den Termin: Donnerstag, den 1. März („Dachluke", Mehringdamm 32). Es wird sicher wieder „a swinging night", wie George Hudak es nannte. Eins ist heute schon sicher: Hörapparate werden nicht benötigt!

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