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Archiv Rock und Revolte

Die "Berlin Szene" im Spiegel des BLICKPUNKT

 
Es sind keine „müden Senatsschuppen"
Jazzsaloon Steglitz * Jugendclub Spandau * "Dachluke" Kreuzberg
von
Rainer Breitfeld
 

Nachdem der Jazzsaloon schon von einem sehr netten Stammpublikum besucht wird und hier schon große Jazzbands, wie Armand Gordons mit seiner Ragtime-Jazzband aus Paris und das neue Albert-Mangeldorff-Quintett, gespielt haben, ist der Träger dieser Einrichtung, der „Berliner Jugendclub", inzwischen darangegangen, zwei weitere Jugendtanzcafes in Spandau und Kreuzberg zu eröffnen. Diese Tanzlokale sind nun keine „müden Senatsschuppen", wie einige schnell dahersagen, die oft noch nie dort waren, und auch der „Berliner Jugendclub" setzt sich auch nicht aus „trägen Senatsdienern" zusammen. Aufgeschlossene Bezirksstadträte und Jugendpfleger vom Landesjugendamt
haben es sich zur Aufgabe gemacht, jungen Menschen von 16 bis 25 Jahren nette moderne und dazu preiswerte Tanzlokale in Form von Klubs zu schaffen. Das erste gelungene Experiment war die Umwandlung des ehemaligen „Domicil du Jazz" in den ..Jazzsaloon Berlin". Zwei weitere folgten inzwischen.

„Vom steilen Zahn" bis zur „schrägen Säge"

Am 17. Februar war es in Spandau soweit. Man hatte den Eindruck, daß fast die gesamte Spandauer Jugend auf den Beinen war. Vom „Superzahn" und der „steilen Biene" bis zur „schrägen Säge", vom eingeschworenen Jazzfan bis zum Rock-and-Roll-Fanatiker wollten alle bei der Eröffnung ihres Jugendklubs dabei sein. Sie waren neugierig, was ihnen hier wohl geboten wurde. Aus einem großen Saal, der so aussah wie aus der Ritterzeit, drangen Dixielandklänge der .Kansas City-Stompers". Sehen konnte man die Band nicht, denn der Saal war „vollgepfropft" von „Tanzwütigen". Auch der Vorraum ist im „Großvaterstil" sehr originell dekoriert. Doch der andere Flügel des Lokals ist im Gegensatz zu dieser „old-time" Einrichtung ganz „cool" und modern gehalten, aber es ist doch auch hier sehr gemütlich. An diesem Abend spielte hier — passend zum Saal — 'eine moderne Band, das beliebte Johannes-Rediske-Quin-tett, eine der bekanntesten und erfolgreichsten Jazz-Combos in Deutschland.

Auch für das leibliche Wohl der Gäste ist ausreichend gesorgt. An zwei sehr reizend gestalteten Bars verkaufen nette Damen kalte Getränke — ist auch sehr nötig bei der heißen Musik und dem Gedrängel. Was es zu trinken gibt? Natürlich viele Sorten alkoholfreier Getränke und für die ganz Durstigen auch Bier, und das alles zu sehr niedrigenPreisen. Der Jugendclub Span-dau ist wirklich ein ansprechendes, mit viel Geschmack eingerichtetes Jugendtanzlokal.

. . . und nun nach Kreuzberg zur „Dachluke"

1. — 2. — 3. — 4. — 5. Stock, alles aussteigen — über einer Eisentür das Plakat „Dachluke". Am 14. April öffnete sich hier die Pforte für das 3. Jugendtanz-lokal. Diesmal nicht im Keller, sondern hoch oben, beinahe über den Dächern von Berlin. Auch hier hatte sich eine bunt zusammengewürfelte Schar von Jugendlichen eingefunden, denn man mußte ja schließlich dabei sein, wenn man sich etwas Neues für die Jugend ausgedacht hatte. Allerdings hatten die „Wuchtbrummen" in Hosen kein Glück mehr, denn bei Mädchen sind Hosen hier nicht erwünscht — wie übrigens auch nicht die Jeans bei den männlichen Besuchern. Na ja, ist wohl auch nicht so schlimm, denn zum Tanzen kann man sich ja mal nett anziehen. Als ich die „Dachluke" betrat — ein riesiger, langer Saal —, hatte ich im ersten Augenblick den Eindruck, man befände sich in der Messe eines großen Schiffes. — Wie ich später hörte, war hier früher die Kantine einer Industriefirma untergebracht. Doch man fühlt sich hier sehr wohl, obwohl es nicht so gemütlich wie im Jazzsaloon oder in Spandau ist, das muß eben die Stimmung wettmachen. Auch hier spielte wieder das Rediske-Quintett. Allen gefiel das nicht so recht, sie wollten lieber den ganzen Abend nur heiße Musik, deshalb stehen für die nächste Zeit noch andere Bands auf dem Programm. Übrigens hat man hier noch einen ganz besonderen „gag" eingerichtet. Über der Tanzfläche kann man so genante Phosphorlampen einschalten, die dann allen hellen Sachen einen eigenartigen kräftigen Glanz geben.

Wenn die anderen Lampen ausgeschaltet sind, sieht das richtig gespenstisch aus. Ja, der „Berliner Jugendclub" ist auf Draht, er hat eben auch Sinn für solche kleinen Spaße. Also dann, das nächstemal viel Vergnügen im Jazzsaloon, im Jazzclub Spandau oder in der „Dachluke".

 

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