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Archiv Rock und Revolte

Die "Berlin Szene" im Spiegel des BLICKPUNKT

 
Waschbrett-Wettstreit in Kratzdur
von Wolf
 
Es war das erste Erdbeben in der Geschichte des bekanntesten Bezirkshügels Berlins. 15 000 Zuhörer trampelten begeistert auf dem Kreuzberg herum, und einige wurden sogar als aufgeregte Ohnmächtige von der Feuerwehr abgeholt. Aus Anlaß der Kreuzberger festlichen Tage traten acht Skiffle-Groups aus Berlin zum Wettstreit der Waschbrettkünstler an.

Rubbel-Rhythmen in Kratzdur — da wackelte die Bühne, wankte die Blumentopfdekoration und jiauchzte die Jugend im Publikum. Sie klatschte in die Hände und sogar mit den ausgezogenen Schuhen. Und da sagt man immer, nur den Älteren zieht moderne Musik die Schuhe aus.

Für drei Groschen Eintritt wurde ein dreistündiges Meister-Musical geboten. Da kamen selbst die Großeltern und machten ganz erschrockene Augen zu soviel Ohrenschmaus. Polka und Rheinländer haben sie noch miterlebt. Konzertklänge mit Fahrradklingeln, Reibeisen, Waschbrettern und Benzinfässern — diese Musik im Jugendstil kannten sie noch nicht.

Auf der bebenden Bühne zwischen Lorbeerbäumen und den „Jurysten" von Bühne, Film und Bezirksamt die „Wood-cutter", „Water-side", „Hot-frogs" und andere skurrile Skiffletypen. Am Phonmesser saß ein gehobener Beamter - als vereidigter Beifallsmesser.

Zwischendurch eine Durchsage: „Michael bitte zur Haustür kommen — Mutti wartet auf den Wohnungsschlüssel." Sie zupften und rieben, daß die Saiten rissen und die Waschbretter warm wurden. Sie spielten „Icecream rock", „Pudding on the style", „Down by the Riverside" und andere starke Stücke.

Sonderapplaus für den Waschbrettisten der „Red rivers" — der junge Maschinenschlosser legte ein tolles Schubbersolo aufs Rubbelbrett. Sympathien auch für die „Stickle bags". Kusinchen Monika sprang als Ungelernte für einen Erkrankten ein und schwang die Rumbarasseln überaus taktvoll.

110 Phon Prasselbeifall für die „Red rivers" als die Besten vom gekratzten Brettl. Jury einverstanden, Publikum ganz aus dem Häuschen, Siegerpreis von 50 Mark verdient und Polizei begeistert. Heiße Musik am warmen Sommerabend und hinterher keine Bänke zerhackt — es gibt eben noch ausgesprochen guterzogene junge Leute.

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