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Archiv Rock und Revolte

Die "Berlin Szene" im Spiegel des BLICKPUNKT

 
Das haben sie "nicht" in Paris gelernt, sondern in Mannheim!
von N.N.

Ein Druck auf zwei Tasten genügt und schon verwandelt eine chromblitzende, in Regenbogenfarben schillernde Musikbox die eingeworfenen zwei Groschenmünzen in Chris Howlands Schlager „Das hab' ich in Paris gelernt. . .". Über Lautsprecher hört man seine Stimme im anschließenden Tanzsaal, die Lautstärke allerdings wird von einer gegenüberliegenden Bar gesteuert. „.. .und noch ein bißchen mehr..." gibt es zu berichten von dem neuen „Jazz-Saloon" Berlins in der Steglitzer Ahornstraße Nr. 15a.

Die Initiatoren dieser Einrichtung haben nicht „in Paris gelernt", sondern im Zentrum von Mannheim. Dort hatte die Stadtverwaltung vor einiger Zeit Deutschlands 1. Jugendtanzcafe eingerichtet. Noch ehe man die Erfahrungen sammeln und auswerten konnte, übernahm die Senatsverwaltung für Jugend und Sport dieses Experiment für Berlin. Da sie nicht selbst als Konzessionsträger für einen halbgastronomischen Betrieb auftreten darf, wurde kurzerhand ein „Berliner Jugendklub e. V." gegründet, dem sowohl Jugendstadträte und Jugendpfleger wie auch ein Vertreter des Landesjugendringes angehören.

Zunächst ist aus dem ehemaligen Gaststättenbetrieb „Haus Breitenstein" — dieser Name steht noch an der Fassade, obwohl inzwischen mehrfach die Besitzer gewechselt haben — mit vier Lastkraftwagen Müll auch einiger Ballast sehr moralinsaurer Erinnerungen an die frische Luft befördert worden. Dann haben Jungen und Mädchen durch ihre fleißige Mithilfe den Beweis erbracht, daß sie sich geschickt mit sehr viel Geschmack ein nettes Klubhaus einzurichten verstanden. Zwar vermißt man noch originelle Raumgestaltungsideen, aber mit der Zeit werden schon noch hier und da zünftige innenarchitektonische Neuheiten entstehen. Jedenfalls haben diese Jugendlichen gezeigt, „daß ihnen nicht immer alles fix und fertig vorgesetzt werden muß", meinte Berlins rührige Jugendsenatorin Ella Kay, als sie das Haus den Pressevertretern zeigte. Natürlich hat sie tief in die Tasche öffentlicher Mittel greifen und 14000,— DM locker machen müssen.

Blickpunkt Nr. 97/98 6/7-1960 / S. 3)

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