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Archiv Rock und Revolte

Die "Berlin Szene" im Spiegel des BLICKPUNKT

 
Geburtstagfeier beim Club 18
von Luba
 
Eine einsame Trompete flog ohne Besitzer von Hamburg nach Berlin — und damit begann eine Geburtstagsfeier, wie sie in der Schöneberger Sporthalle ziemlich selten ist. Bestimmt waren viele von euch dabei. Ganz sicher. Club 18, das internationale Jazzforum für junge Menschen, feierte seinen zweijährigen Geburtstag.

Zuerst einmal, am Sonntagvormittag, merkten die Angestellten auf dem Flughafen Tempelhof davon etwas. Weil da Wagen herauffuhren, an denen große Transparente angebracht waren. Transparente werden in Berlin immer mit etwas Skepsis und viel Vorsicht betrachtet. Immerhin — auf den grünen Transparenten stand weithin sichtbar „Club 18" -und als dann aus dem Wagen Instrumente ausgepackt wurden, schoben die Gepäckträger ihre Karren schnell näher ran, — man hört ja schließlich auf dem Flughafen sonst nur Motorengebrumm und wenig Musik.

Sie wußten also, hier kommt ein Ständchen für Gäste, die aus Kopenhagen zu irgendeiner Geburtstagsfeier landeten. Sicher haben sie erwartet, daß nun einer „Gott grüße dich!" bläst oder etwas, was sonst zu Geburtstagen üblich. Blies natürlich keiner. Was hätten sonst auch die Jungen der Papa Bue's Viking Jazzband gesagt, wenn man sie so empfangen hätte. Denn die stiegen da aus
- mit viel Hallo und dichten Barten.

 


ERIKA IST MODEPRAKTIKANTIN, Karin studiert an der HBK, Klaus an der FU und Horst ist Versicherungskaufmann - aber in ihrer Freizeit treffen sie sich, um Negro-Spirituells zu singen.


DAS IST BJÖRNE, Banjospieler der Papa Bue's Viking-Jazzband.

Nur der Trompeter Hansen sah sich ganz unglücklich um, weil er merkte, daß ihm das fehlt, was für andere die Luft zum Atmen ist. Hansen hatte seine Trompete vergessen, und die mußte irgendwo in Hamburg schnell abgeholt werden. War vielleicht ein Schreck für die Papa Bue's Jazzbander — wie soll ein Trompeter ohne Trompete blasen. Na — sie kam dann noch rechtzeitig an — und dann begann's in der Sporthalle am Sachsendamm.

John Hendrik, der das Kind „Club 18" mal aus der Taufe gehoben hatte, bekam zum zweijährigen' Geburtstag eine Ziege aus Stoff mit einer Glocke geschenkt. Und Ehrengast Ella Kay, die Jugendsenatorin, klatschte sehr temperamentvoll mit, als die Motetts, die 2. Sieger im Düsseldorfer Jazzfestival, mit ihrem ersten Stück loslegten. „The Lady is a tramp", spielten sie — „Die Dame ist eine Herumtreiberin". Wenig später allerdings sagte Ella Kay vom Podium herunter: „Ich muß zugeben, ich verstehe nicht, was Ihr an dieser Musik versteht, aber ich bemühe mich, es zu verstehen." Und das haben junge Menschen immer gern, wenn wenigstens Erzieher sich bemühen, sie zu verstehen. Wobei das nicht immer gelingt. Das Verständnis der Erzieher, meine ich.

Wie das so an Geburtstagen ist — man spielt gern das hübsche Erinnerungsspiel': „Wißt ihr noch wie's damals war", und das machte John Hendrik sehr nett in Stichworten. — So mit kurzem „Blende auf" zum Haus der fugend in Schöneberg, wo sich das erste Mal ganze vier Mann zusammenfanden, um Platten zu hören. Das nächste Mal waren es schon 20. Und dann war der Laden zu klein. Plötzlich fanden sich 570, obwohl nur 320 Karten für einen Saal ausgegeben waren. Keiner wußte, wie die restlichen 240 reingekommen waren. Na ja - Spezialtricks. „Ich hab' richtig etwas Angst gehabt", gab Hendrik jetzt zu, „ich hab' gedacht — soviel Jazzfreunde, ob wir da nicht mit platzen? Und da hat mir einer gesagt: »Keene Angst, wir platzen nicht, böse Menschen jazzen nicht.«" Na — und geplatzt sind sie nie. Höchstens mal vor Temperament. In der Schöneberger Sporthalle war alles hübsch dekoriert von einem, der dafür zwei Nächte nicht geschlafen hat. „Sherry" hat seine Nachtruhe dafür geopfert. Und ein Telegramm kam auch an. Aus den Vereinigten Staaten von Chris Barber und Ottilie Patterson. — Und dann ging's los.

Das Rediske-Quintett spielte — und die vier jungen Leute vom Spirituell Quartett Berlin wagten sich mutig an die schwierigen Negro-Songs heran, wobei der Baß sich sehr weit in den Keller wagte. Klar, daß Papa Bue's Viking-Jazzband mit besonderem Jubel begrüßt wurde. Wobei allerdings nicht alle mit dem Dixieland einverstanden waren, den Papa Bue aus .Schlafe mein Prinzchen" improvisierte. Aber originell war's auf jeden Fall.

Und dann ging der Vorhang auf. Diesmal für das Publikum. Der Vorhang hinter der Bühne wurde beiseite gezogen, und ringsumher konnte getanzt werden. Und wie. Bis um Mitternacht, wobei die ganzen Amateurbands spielten. — Die kann man sowieso nicht alle aufzählen. Die Ton-Tons und die Bertlanders, Gin Bottle Six und natürlich Papa Ko's Jazzin Babies und Red Onions und Fiat Fleet. Na — Ihr wißt ja und kennt sie alle.

Es war eine Geburtstagsfeier, wie sie zum Ehrentag eines Zweijährigen selten gefeiert wird. Und eigentlich muß man allen, die da mitmachten, ein faustdickes Kompliment machen, obwohl es ihnen sicher selbstverständlich erscheint — weil sie so großartig diszipliniert begeistert waren. Und ich finde, das soll man sagen, ohne daß alle, die dabei waren, das Gefühl haben, daß ich nun sage, „eiei, was waren alle doch so brav".

So ist das nicht gemeint — aber zur gleichen Zeit rollte in Berlin eine Großveranstaltung ab, in der auch junge Menschen waren — und die ließen Schwärmer los und Knallfrösche und pfiffen und johlten — aus „Begeisterung?" Ich weiß nicht. Ich fand nur die Leute vom „Club 18" so großartig.

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