RIAS-Club 18 "unter sich"
Ich setze mich nicht auf einen Luftballon
von Luba
Ganz unter uns,
meine Freunde, ein Bericht über den Club 18, dem internationalen Jazzforum
für junge Menschen und der RIAS-Sendung, „Ganz unter uns" ist eigentlich
nichts weiter als ein großer Spiegel, in dem sich alle wiederfinden, die
jung sind, Jazz lieben und mitmachen. Vorausgesetzt, daß der Bericht eben
doch kein „Bericht" ist, sondern mehr ein Bummel, so ganz lässig —
vielleicht im Dixie-land-Tempo —, aber von Dixie reden wir später . . .
Waren Sie auch dabei? Bei der diesjährigen großen RIAS - Party im
Studentenhaus am Steinplatz? Es war gerammelt voll. Warum, das wußten nicht
einmal die RIAS-Leute, die über den Rekordbesuch staunten und über das, was
sich da immer noch alles hereinschob und überhaupt nicht mehr aufhörte. Und
wer einmal drin war, der war dann auch ziemlich bald auf der Tanzfläche, die
so seltsam länglich ist, daß noch die Generation „zwei vor uns" behaupten
würde, dieses wäre niemals eine Tanzfläche, sondern
höchstens der Korridor, der zu einer solchen führt. Aber - auf diesem
verkannten Korridor, der bestimmt eine Tanzfläche ist, wurde großartig
getanzt. Nur über den Stil gab es einige ganz ernsthafte Streitfragen.
Nicht unter den Tanzenden. Wer tanzte, unterhielt sich kaum — aber unter den
Zuschauern. Ein weibliches Wesen wollte einen Kasten Bier dafür verwetten,
daß hier „so eine Art Rock 'n Roll getanzt wurde" — sie wäre fast gesteinigt
worden, und ein ärgerlicher junger Mann legte ihr daraufhin, als sie sich
setzte, einen Luftballon unter den Sitz. Als der knallte, sagte der junge
Mann: „Jetzt könnten Sie genauso gut behaupten, das wäre eine Kanone, nur
weil die auch knallt wie ein Luftballon — das würde genauso schlecht
zusammenpassen wie der »Rock« und die hier wirklich gezeigten Tänze. Hier
wird nämlich so 'ne Art Dixie getanzt. Aber das verstehen nur Kenner!" Und
dann war er ernsthaft böse. Und darum hab' ich im Anfang geschrieben, daß es
ein Dixieland-Bummel werden soll — weil ich nämlich die war, der man den
Luftballon 'runterpackte . . .
Das Tippen, das richtige Tippen mein' ich, brachte an diesem Abend einem
jungen Mann ein elegantes Kleid ein — aber das ist
fast eine ganze Geschichte. Die reizende Beate Bach und die ebenso
bezaubernde Schauspielerin Brigitte Grothum sagten eine Modenschau von Peeck
& Cloppenburg an — und da hörte dann das Tanzen auf und
alles stand und applaudierte. Denn das waren hier keine Mannequins, die mit
gekonntem Hüfte wiegen und Schlenkerschritt traumhaft teure Gebilde zeigten,
sondern junge Angestellte der Firma, die erschwingliche, handfeste Sachen
vorführten. Das Kleid aber, das am besten gefiel, sollte einer gewinnen.
Also — man hätte fast Wetten abschließen können, welches
Kleid gefallen würde — und ich bin überzeugt, keiner hätte die Wette
gewonnen. Es wurden so flotte Sachen gezeigt — aber den Preis bekam ein
Kleid, von dem selbst die jungen Leute von „Peeck & Cloppenburg" sagten: „Na
klar, ist das flott — aber als Siegerpreis? Nie gedacht!" Es war eine
flotte, aber einfache Kombination — rosa Rock, weißer Pullover und eine
blauschimmernde Jacke aus einem Material, das man Leroflex nennt. Und das
machte, unter dem Namen „Studio 59", das Rennen. Der Gewinner wurde gezogen,
und Beate Bach fragte — sicher muß sie da so etwas wie einen sechsten Sinn
gehabt haben —, ob das Kleid auch dann an den Gewinner gehen soll, wenn's
ein junger Mann ist — oder aber, ob dann noch einmal gelost werden soll.
Alle waren dagegen, daß weiter gelost werden sollte — und
alle schrien: „Auch ein Knabe soll's behalten!" Und dann wurde die Nummer
aufgerufen und — violä — es war wirklich ein Knabe. Ein ISjähriger Schüler,
genannt Karlchen — nahm verdutzt das erste eigene Kleid als Geschenk
entgegen.
„Hast du aber Glück", stöhnte einer, „is ja ein
bombastisches Verlobungsgeschenk", und Karlchen wehrte verlegen ab, wobei
seine Ohren so ganz dezent rot wurden: „Ich will's doch nur für meine
Cousine." |
Sie tanzten unentwegt - jeden Tanz, der gespielt wurde - aber
immer nur miteinander.
Auf das es knallt. Überall saßen niedliche Mädchen und pusteten
zwischendurch Luftballons auf.
Gar nicht so unflott. Die Mädchen sahen sich sehr kritisch
die Herrenmoden an.
Irgendwie erinnerte sie an Giulietta
Masina, das Mädchen von der Skiffleband, das so ausdrucksstark sang.
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Und deshalb lassen wir Karlchens genaue Personalien weg,
weil sonst die Cousine das hier liest, ihn festnagelt und sagt: „Was man
schwarz auf weiß besitzt, kann man getrost nach Hause tragen — und also her
mit dem Kleid . . ." Obwohl einer im Vorbeigehen sagte: „Der sieht
eigentlich noch so aus, als ob er das Modell gegen eine anständige Eisenbahn
eintauscht . .." Aber als ich ihn dann tanzen sah, hab' ich das mit der
Eisenbahn doch nicht geglaubt. . .
Zum Tanz spielte übrigens das Rediske-Quintett, die
Cower-Jazz-Band und Papa Ko1 Jazzen' Babies — und da konnte man wirklich nur
bewundernd mit den Ohren schlackern. Wenn man nämlich beobachtete, wie der
bärtige Schlagzeuger auf seiner Batterie hämmerte und dabei so voller
Inbrunst sang. Übrigens — singen ist vielleicht nicht ganz exakt gesagt — es
ist mehr ein rhythmisches Tönen der Stimme gewesen — und das fuhr einem
wirklich in die Knochen. Und just vor dem Bärtigen saßen drei und klinkerten.
Sie wissen doch, das Spiel mit drei Münzen oder mehr, die man wirft und
durch die Luft schleudert-also — warum die das nun gerade vor der Musik
machten, weiß ich nicht - aber man war ja eben ganz unter sich. Und
vielleicht haben sie auch nur eine Lage mit den Münzen ausgetrudelt...
Die Stars, die sonst immer so zahlreich erscheinen,
hatten sich diesmal sehr rar gemacht. Dietmar Schönherr schickte ein
Telegramm mit freundlichen Grüßen, Bibi Johns kam und plauderte etwas, Ilse
Page war da. Noch nie von ihr gehört? Nun ja, ich auch nicht — und viele
andere genausowenig. Aber dann haben wir sie gesehen und gefunden — das ist
eine recht attraktive kleine Schauspielerin. Und da Boreslaw Barlog ihr
einen Vertrag bis 1960 gegeben hat, muß sie schon etwas können. Außerdem war
sie lieb und bescheiden und sammelte Luftballons „für alle Kinder aus meinem
Haus . . ." und natürlich gab sie auch Autogramme. Und da standen eine ganze
Menge an.
Übrigens — angestanden wurde um zehn Uhr auch. Und wie!
Da w-urden nämlich die Gewinne der Tombola ausgegeben, auf die Nummern, die
immer schon an den Eintrittskarten dran sind. Fünf tadellose Hauptgewinne
waren dabei. Ein Weddinger Student gewann eine Reise Berlin—England—Berlin
—, zwei Mädchen ein Schlauchboot, eine andere einen Zehn-Platten-Wechsler,
und die 19jährige Marianne, die im Büro arbeitet, sagte begeistert: „Ich
werd' verrückt!" Denn sie hatte einen kostenlosen Führerschein gewonnen.
John Hendricks, der Deutsch-Amerikaner und Initiator
dieser ganzen Parties lief unentwegt durch das Gewimmel, um neue Gäste zu
begrüßen und alten Bekannten die Hände zu schütteln — und er kam eigentlich
sehr elegant überall durch das Gedränge, obwohl er nicht den Warnruf des
jungen Mannes gebrauchte, der sich durch die dichteste Gruppe einen Weg
bahnte mit dem einzigen Ruf: „Achtung, Tomaten-Ketshup!"
Dem bin ich dann hinterher, um von der freien Bahn zu
profitieren — und unterwegs bekam man dann so Wortfetzen mit in
Dialog-Formen, die glatt aus modernen Stücken stammen könnten, wie „. ..
dann ist sogar die Stille noch so laut". — „Biggi kann sich selbst nicht
mehr leiden, darum hat sie alle Spiegel verhängt." — „. .. wieso starrst du
denn so in meine Augen? Hab' ich Wimperntusche verschmiert?" — „... da hab'
ich unserem Chef auch gesagt, wissen Sie, hab' ich gesagt, wenn alle das so
machen würden wie Fräulein Sissel, hab' ich gesagt..." (Wobei das dann schon
wieder den Dialog-Charakter eines Volksstückes tragen würde.]
Übrigens — Volksstück. Das erlebte man dann
singenderweise bei der „Skiffel-Band Studio 18". Was die brachten an
Volksliedern und Spirituals - das war einfach großartig. Dazu wurde übrigens
auch getanzt. Kein Volkstanz. Bestimmt nicht. Vielleicht auch wieder „so
eine Art Dixie?" Ich weiß es nicht — aber ich hab' mich nicht getraut,
nochmals zu fragen — weil ich mich doch so ungern auf einen Luftballon setze
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