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Archiv Rock und Revolte

Die "Berlin Szene" im Spiegel des BLICKPUNKT

 
Haus der Jugend Böcklerpark
"...keine alkoholfreie Kneipe"
von R.L.
 
Eine Lederjacke glänzt im Schein der entfernten Laterne. Mehr ist vorerst nicht zu erkennen. Ein paar Schritte weiter heben sich die Umrisse ab: Die „Lederjacke" sitzt auf einer Parkbank. Aber nicht allein. Ein blonder Lockenkopf ist dabei. Und beide sind stark miteinander beschäftigt. „Dauerbrenner", kommentiert ein Halbwüchsiger, lakonisch. Er hat denselben Weg wie wir, durch den Böcklerpark an der Gitschiner Straße in Kreuzberg zum „Haus der Jugend".

Das könnte er sein: Inmitten der Lederjacken erspähe ich einen jungen Mann mit Schlips. Es ist tatsächlich der Heimleiter — Thilo Greube, etwa dreißig Jahre, gelernter Versicherungskaufmann und Inhaber des Jugendpfleger-diploms. Offen gestanden: Nach dem ersten Eindruck beneide ich ihn nicht um seine Stellung. Er selbst kommt sich jedoch gar nicht bedauernswert vor.

So unübel sind seiner Ansicht nach die „Lederjacken" gar nicht. Mitunter lassen sie es eben nur mal auf eine kleine Machtprobe ankommen. Und sie verstehen auch, mit Anstand zu verlieren. Im Kreis der Skat dreschenden „Kumpels" fühlt sich der Siebzehnjährige stark — sagen wir ruhig halbstark. Als einzelner vor Polizeibeamten zum Beispiel macht er dagegen einen beinahe wohlerzogenen Eindruck.

Thilo Greube möchte, daß die vorderen Räume — im Kreuzberger Jargon „Gammelräume" genannt —, in denen ausschließlich Lederjacken herumlungern, bald ein anderes Gesicht erhalten. Deshalb hat er ein rundes Dutzend Interessengruppen ins leben gerufen. Nur in der anonymen Masse sind die "Lederjacken" halbstark, in kleinen Gruppen, nach Interessen aufgeteilt, entpuppen sie sich plötzlich — um in der Sprache zu bleiben — als „dufte Kumpels". In einem offenen Brief hat ihnen der Heimleiter ein Ultimatum gestellt: „Dein Haus der Jugend soll nicht nur alkoholfreie »Kneipe» sein. Du wirst verstehen, daß Dir die Räume in Zukunft nicht mehr offen stehen, wenn Du sie nur als Wärmestube betrachtest!" Jeder weiß, daß dieses Ultimatum ernst gemeint ist. Wer sich nicht bald für eine Interessengruppe entschieden hat, wird hier kein Asyl mehr finden. Wir wünschen viel Erfolg bei diesem Experiment.

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